Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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<strong>Die</strong> Mehrheit <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s halten die Zusammenarbeit mit den Regierungsbeamten für schädlich,<br />
da sie hierdurch die Einmischung <strong>der</strong> Behörden in ihre Privatangelegenheiten befürchten,<br />
die zum Verlust <strong>der</strong> Freiheit führen könnte. Ferner, sie fühlen sich in ihrer Ehre<br />
verletzt, wenn sie nur für das Geld, o<strong>der</strong> nur für mehr Geld singen sollten, da sie ihre Lie<strong>der</strong><br />
als heilig und unverkäuflich betrachten. Sie betonen immer wie<strong>der</strong>, sie seien keine<br />
Schlagersänger, die mit ihrem Gesang Geld verdienen möchten, son<strong>der</strong>n Gottes Botschafter,<br />
die die Gottesliebe preisen möchten. Manche boykottieren deshalb das Mahotsab von<br />
Purnadas <strong>Baul</strong>. 24<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s sind <strong>der</strong> Meinung, daß die Wirtschaftspolitik Indiens, welche die Investition aus<br />
dem Ausland und den Import ausländischer Güter för<strong>der</strong>t, unter den einheimischen Herstellern<br />
Armut verursacht. In <strong>der</strong> wahllosen Einführung des westlichen Güter sehen sie nicht<br />
nur die Gefahr <strong>der</strong> kulturellen Entfremdung, son<strong>der</strong>n auch einen Nachteil für die indische<br />
Wirtschaft. (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s verabscheuen zwar die Nachahmung <strong>der</strong> westlichen Kultur, aber sie schätzen den<br />
kulturellen Austausch und sind bereit, von <strong>der</strong> fremden Kultur zu lernen. Sie erinnern sich<br />
dankbar an Rammohan Roy (1772-1833), <strong>der</strong> die westlichen Ideen für Indien passend<br />
bearbeitete und mit Reformen die Möglichkeit für das mo<strong>der</strong>ne Indien schuf (s. Anhang<br />
<strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />
Mañjudasi, die spirituelle Partnerin von Purnadas <strong>Baul</strong>, hat ein Lied verfaßt, da ein Produkt<br />
sozialistischer Gedanken sein (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>). Mañjudasi hat ihren Partner in die<br />
Sowjetunion auf einer Tournee begleitet.<br />
<strong>Die</strong> Freizeitaktivitäten<br />
<strong>Baul</strong>s, welche die Freiheit über alles lieben, lehnen im Zusammenhang <strong>der</strong> Freizeit Zwang<br />
je<strong>der</strong> Art ab. <strong>Die</strong> Bedingungen und Gestaltung ihrer Aktivitäten bestimmen sie selbst. Daher<br />
ist die Gestaltung <strong>der</strong> Aktivitäten jedesmal etwas an<strong>der</strong>es, je nach <strong>der</strong> Vorstellung des<br />
Initiators. Außer den Festen (s. Kapitel 5), die auch einen gewissen Freizeitcharakter haben,<br />
sind die internen Musikkonzerte die einzigen Freizeitaktivitäten <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s. <strong>Die</strong>s hat in erster<br />
Linie sicherlich mit <strong>der</strong> Musikalität <strong>der</strong> <strong>Gemeinschaft</strong> zu tun. Aber es gibt auch einen<br />
an<strong>der</strong>en Grund, warum sie mit Vorliebe gemeinsam musizieren anstatt z. B. ins Kino zu<br />
gehen. <strong>Die</strong> Freizeitaktivitäten <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s dürfen keine Kosten verursachen. Ein Musikkonzert<br />
kostet die <strong>Baul</strong>s nichts. Es findet statt entwe<strong>der</strong> bei einer Wohngemeinschaft (akhra), im<br />
Hause eines gefallenen <strong>Baul</strong>-Bru<strong>der</strong>s, <strong>der</strong> zwar „gefallen“ aber einflußreich ist, o<strong>der</strong> aber<br />
auch in einem abgelegenen Ort des Dorfes, <strong>der</strong> von den Menschen aus den oberen Kasten<br />
nicht beansprucht wird. <strong>Die</strong> Musiker sind die <strong>Baul</strong>s selbst. <strong>Die</strong>s bedeutet, sie brauchen<br />
keinen Saal o<strong>der</strong> Ort zu mieten und keine Gage zu bezahlen. Außer den <strong>Baul</strong>s nehmen an<br />
solchen Veranstaltungen einzelne Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> dre oberen Kasten teil, die ihr Vertrauen<br />
genießen. Solche Konzerte finden am späten Nachmittag o<strong>der</strong> Abend statt, wenn das Tagewerk<br />
getan ist. <strong>Die</strong> Teilnehmer sind Männer, Frauen, Kin<strong>der</strong> und Jugendliche, die später<br />
in die <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> eintreten möchten. Frauen, die gut singen können, werden hier<br />
den Männern gleichberechtigt behandelt. Lie<strong>der</strong>, die hier gesungen werden, sind die gleichen,<br />
die auch sonst gesungen werden, wie z. B. beim Betteln. So kann gesagt werden, daß<br />
das Thema <strong>der</strong> Freizeit gleichzeitig die <strong>Religion</strong> dieser <strong>Gemeinschaft</strong> ist. Bezeichnet man die<br />
<strong>Religion</strong> als Beruf, so gehen Beruf und Freizeit in einan<strong>der</strong> über. Hier spiegelt sich <strong>der</strong><br />
24 Ibid., 94<br />
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