Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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Packe die Schlange am Schwanz<br />
(Und) wecke die Schlafende.<br />
Hat die Shakti den Schlaf abgeschüttelt,<br />
Richtet sie plötzlich ihren Schlund nach oben (111).“<br />
Das Buch empfiehlt verschiedene Atemübungen, die Kundalini-shakti erwecken. Das Sharada-tilaka-tantra<br />
XXV, 64 schreibt, daß die Kundalini-shakti Gott nicht im Ajña-cakra,<br />
son<strong>der</strong>n im Sahasrara trifft. Augenscheinlich bestehen in dieser Hinsicht verschiedene<br />
Meinungen. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s glauben jedoch, daß das Treffen im Ajña-cakra stattfindet.<br />
Der Hauptgewicht des mystischen Konzepts über die Naris und Cakras <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Religion</strong><br />
liegt an folgenden Punkten: Kundalini-shakti schläft im Muladhara-cakra, wacht auf durch<br />
Atemübungen des Yogis, bewegt sich nach oben durch die Sushumna-nari, vereinigt sich<br />
mit Gott im Ajña-cakra und diese Vereinigung spendet dem Menschen Glückseligkeit. Der<br />
<strong>Baul</strong> hält sich an diesen Schwerpunkten fest und will nicht viel Theoretisches über das<br />
komplizierte Nari- o<strong>der</strong> Cakra-System des Yogas und Tantras wissen. <strong>Die</strong> Bedeutung des<br />
Nari-und Cakra-Systems reduziert sich für ihn auf die Aktivitäten <strong>der</strong> Sushumna-nari,<br />
Muladhara- und Ajña-cakra und die Kundalini-shakti, ohne <strong>der</strong>en Mitwirkung er Gott nicht<br />
erleben kann. So wird in den Lie<strong>der</strong>n hauptsächlich nur auf diese Punkte eingegangen (s.<br />
Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />
Granthis (Knoten) im Körper<br />
Es gibt drei, wie<strong>der</strong>um unsichtbare Granthis, d. h. Knoten im Körper, die nach drei Göttern<br />
genannt werden. <strong>Die</strong>se sind: Brahma-granthi, Vishnu-granthi und Rudra-granthi. <strong>Die</strong><br />
Granthis befinden sich jeweils in <strong>der</strong> Nabelgegend, <strong>der</strong> Herzgegend und zwischen zwei<br />
Augenbrauen, wo sich auch das Ajña-cakra befindet. Der Brahma-granthi, genannt nach<br />
dem Schöpfungsgott Brahma, befindet sich in <strong>der</strong> Nabelgegend, da diese Gegend die Welt<br />
<strong>der</strong> Namen (nama) und Formen (rupa) darstellt. Der Vishnu-granthi befindet sich in <strong>der</strong><br />
Herzgegend. <strong>Die</strong>ser Knoten motiviert den Menschen, alles Positive zu erhalten. Da dieser<br />
Granthi einen zum Bewahren bewegt, wird er nach Gott Vishnu, dem Erhalter, genannt.<br />
Obwohl dieser Knoten den Menschen zur positiven Tat motiviert, hält er ihn doch fern von<br />
Gott, denn jede mit Motivation getane Tat hält den Kreis des Karmas - Tat - Folge -Tat -<br />
aufrecht. Der Rudra-granthi befindet sich im Stirnbereich. <strong>Die</strong>ser Knoten wird nach Rudra,<br />
Gott <strong>der</strong> Zerstörung, genannt, weil <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> diesen Knoten gelöst hat, auch gleichzeitig<br />
alle materiellen und spirituellen Bindungen gelöst und sich mit Brahman / Gott vereinigt<br />
hat. <strong>Die</strong> drei Knoten muß man sich wie drei Hürden im Hin<strong>der</strong>nislauf vorstellen. <strong>Die</strong><br />
Kundalini-shakti steigt höher und löst einen Knoten nach dem an<strong>der</strong>en. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s sehen zu,<br />
daß die Kundalini-shakti den letzten Knoten nicht löst, damit <strong>der</strong> Mensch seine scheinbar<br />
separate Existenz bewahrt. <strong>Die</strong> Dualität ist nötig, um Gott zu genießen (s. Anhang <strong>Baul</strong>-<br />
Lie<strong>der</strong>). Hathayoga-pradipika IV schreibt, was geschieht, wenn die Kundalini-shakti die<br />
Rudra-granthi löst:<br />
„Ist <strong>der</strong> Rudra-Knoten gelöst,<br />
Steigt <strong>der</strong> Atem bis zu Gottes heiligen Wohnort (76).<br />
Hier wird <strong>der</strong> Geist eins (mit Gott).<br />
(D. h. hier löst sich <strong>der</strong> Geist des Yogis im Brahman auf.)<br />
<strong>Die</strong>s wird Rajayoga genannt.<br />
Er ist jetzt <strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Schöpfung und Zerstörung.<br />
Nun wird <strong>der</strong> Yogi zum Gott (Ishvar) (77).“<br />
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