Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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Untersuchungsergebnisse<br />
1. <strong>Die</strong> Tatsache, daß man ohne die erhaltene Initiation nicht zur <strong>Baul</strong>gemeinschaft gehören<br />
darf, erhöht die Position des Gurus, die ohnehin in <strong>der</strong> hinduistischen Tradition hoch ist.<br />
2. <strong>Die</strong> Aufgabe des Gurus macht ihn zur höchsten Autorität für seine Schüler. <strong>Die</strong> Tatsache,<br />
daß die Theorien und die praktischen Übungen <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Religion</strong> nicht in schriftlicher Form<br />
festgehalten worden sind (wobei gesagt werden muß, daß die <strong>Baul</strong>s Analphabeten sind),<br />
und daher die Schüler dieser <strong>Religion</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> auf den Unterricht und die<br />
Anweisungen des Gurus vollkommen angewiesen sind, macht die Schüler von ihrem Guru<br />
total abhängig, die aus dieser Abhängigkeit erst dann befreit sind, wenn sie selbst als Gurus<br />
fungieren. <strong>Die</strong>s erklärt auch die Gegebenheit, daß die <strong>Baul</strong>s ihren Guru Gott gleichsetzen<br />
und glauben, daß sie ohne ihren Guru Gott nicht erleben können.<br />
3. <strong>Die</strong> Theorie <strong>der</strong> Übertragung <strong>der</strong> mystischen Kräfte des Guru auf seinen Schüler ist als<br />
Vergleich zu verstehen. Der Schüler ergibt sich bedingungslos seinem Guru, <strong>der</strong> seine Persönlichkeit<br />
vollständig umformt, so daß <strong>der</strong> Schüler nur noch nach <strong>der</strong> Vorstellung des Gurus<br />
denkt und handelt. Als Gegenleistung garantiert <strong>der</strong> Guru ihm das Gotteserlebnis.<br />
Sadhana-sangini (die spirituelle Partnerin)<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, daß die <strong>Baul</strong>s ohne ihre spirituelle Partnerin den Tantrayoga nicht üben können,<br />
verleiht <strong>der</strong> spirituellen Partnerin Achtung in <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>gemeinschaft. <strong>Die</strong> Partnerin ist<br />
nicht die Verführerin, die den Mann von Gott ablenkt, wie die Frau häufig im klassischen<br />
Hinduismus dargestellt wird, 130 son<strong>der</strong>n die Person, die dem Mann bei <strong>der</strong> Suche nach Gott<br />
hilft.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s betonen in ihren Lie<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong>, daß eine Frau etwas wertvolles ist, und<br />
da alle Menschen, also auch die Männer die Manifestation <strong>der</strong> Shakti sind, sind prinzipiell<br />
alle Menschen Frauen. Daher empfehlen sie sich selbst und ihren Glaubensbrü<strong>der</strong>n, daß sie<br />
sich wie eine Frau fühlen sollen (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>). Außerdem, da Gott männlich ist,<br />
muß man ihn mit dem Gefühl und mit <strong>der</strong> Intensität einer Frau lieben. <strong>Die</strong> Gopis, die Kuhhirtinnen<br />
in Vrindavan, am Wohnort Krishnas, gaben hierfür das Beispiel <strong>der</strong> wahren Liebe<br />
(s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s vergleichen ihre Partnerin mit Radha und Shakti (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>), das den<br />
Einfluß des Caitanya-Vaishnavismus und des Tantra auf die <strong>Baul</strong>-<strong>Religion</strong> deutlich macht.<br />
<strong>Die</strong> hohe Stellung <strong>der</strong> Frau ist im Caitanya-Vaishnavismus zu beobachten. <strong>Die</strong>ser meint, daß<br />
Krishna sich nur durch seine Geliebte Radha vollständig genießen konnte. Deshalb ist<br />
Krishna als Caitanya geboren worden, <strong>der</strong> gleichzeitig eine Inkarnation Krishnas und<br />
Radhas war (s. Kapitel 2). Daher ist die Stellung Radhas in diesem Zweig des Hinduismus<br />
hoch. Sie wird manchmal höher gestellt als Krishna. Auch die Tantriks unterordnen Shiva<br />
<strong>der</strong> Shakti, seiner weiblichen Energie. 131<br />
Wegen ihrer positiven Einstellung zur spirituellen Partnerin, haben die <strong>Baul</strong>s in diesem Zusammenhang<br />
keine doppelte Moral. Wenn <strong>der</strong> Mann seine Sinnesorgane nicht beherrschen<br />
130 Mahendranath Gupta: Shri-shri-ramakrishna-kathamrita, Bd. 1, Kalikata, 1993, 65-66<br />
131 Vgl. Upendrakumar Das: Shastramulak bharatiya shakti-sadhana, Bd. 1, Kalikata, 1984, 332-355<br />
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