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Die Religion der Baul-Gemeinschaft

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Nachmittag. Manchmal wird dann Tee serviert. Am Abend, wenn es dunkel wird, verabschieden<br />

sich die Gäste. Das Kanthi-badal wird gewöhnlich von den Spenden wohlhaben<strong>der</strong><br />

Dorfbewohnern finanziert.<br />

<strong>Die</strong> Nachahmung des Brahma-Ritus durch einen <strong>Baul</strong><br />

Manas Ray hat unter den <strong>Baul</strong>s eine Hochzeit beobachtet, die in Anlehnung an den Brahma-<br />

Ritus vollzogen wurde. 114 Der <strong>Baul</strong>, welcher so das Kanthi-badal vollzog, heißt<br />

Radheshyamdas <strong>Baul</strong> und wohnt im Dorf Kundola. <strong>Die</strong> Ähnlichkeiten mit dem Brahma-<br />

Ritus bestehen in folgenden Punkten:<br />

1. Der Austausch <strong>der</strong> Ketten fand im Elternhaus <strong>der</strong> zukünftigen Partnerin im Dorf Guskara,<br />

in <strong>der</strong> Abwesenheit des Gurus statt. Wer hier die Funktion des Gurus übernahm, sagt<br />

Ray nicht.Hierzu waren, wie beim Brahma-Ritus, Verwandte und Freunde <strong>der</strong> Frau, sowie<br />

Freunde des <strong>Baul</strong>s eingeladen. <strong>Die</strong>s entspricht dem zweiten Teil des Brahma-Ritus.<br />

2. Am Abend des Tages, an dem das Kanthi-badal stattfand, kehrte <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> mit seiner<br />

Partnerin nach Hause zurück. Am nächten Tag gab es bei ihm ein Festessen. Hierzu waren<br />

die Verwandten und Freunde von ihm und seiner Partnerin eingeladen. <strong>Die</strong>se Nachfeier<br />

entspricht dem dritten Teil des Brahma-Ritus, <strong>der</strong> im Hause des Bräutigams stattfindet.<br />

3. Nach landesüblicher Sitte hat <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> von den Eltern <strong>der</strong> Partnerin als Mitgift ein Fahrrad<br />

verlangt, was ihm auch gegeben wurde. Ray berichtet von noch einem <strong>Baul</strong> namens<br />

Gangadhara-Das <strong>Baul</strong>, <strong>der</strong> für seinen Sohn als Mitgift ein Fahrrad und ein Radio ver -<br />

langte. 115 <strong>Die</strong>s entspricht <strong>der</strong> mitgiftbezogene Sitte des Brahma-Ritus. Der Autorin selbst<br />

sind solche Handlungen unter <strong>Baul</strong>s nicht bekannt. Das Geschäft mit <strong>der</strong> Mitgift kann nicht<br />

dort florieren, wo strenge Armut herrscht.<br />

Untersuchungsergebnisse<br />

1. Da das Kanthi-badal nicht nach dem Brahma-Ritus vollzogen wird, vermissen die Hindus<br />

in dieser Zeremonie den religiösen Hintergrund und daher auch die moralische Legitimation.<br />

Für sie ist das Kanthi-badal nur die Legalisierung <strong>der</strong> sexuellen Beziehung. Es wohnen in<br />

Indien Angehörige verschiedener <strong>Religion</strong>en. Sie haben ihre religionsbezogenen Sitten und<br />

Gebräuche, die von <strong>der</strong> indischen Gesellschaft und vom indischen Gesetz anerkannt<br />

werden. 116 Was die Hindus betrifft, so erkennt das indische Gesetz Mann und Frau als<br />

Eheleute an, wenn sie entwe<strong>der</strong> nach dem Brahma-Ritus o<strong>der</strong> standesamtlich heiraten. Das<br />

Kanthi-badal wird dahervom indischen Gesetz nicht als Hochzeit anerkannt. Deshalb<br />

können die <strong>Baul</strong>s mit mehreren Frauen ein eheähnliches Verhältnis haben. Es ist auch leicht<br />

für sie, die ältere Partnerin zu verlassen, um sich eine neue zu nehmen (s. Kapitel 1). In<br />

diesem Falle müssen sie <strong>der</strong> früheren Partnerin keinen Unterhalt zahlen, da sie mit ihr nicht<br />

verheiratet waren.<br />

2. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s selbst bezeichnen das Kanthi-badal nicht als „Hochzeit“. <strong>Die</strong> Partnerin wird<br />

stets spirituelle Partnerin (sadhana-sangini) und nicht Ehefrau (patni, in West Bengal auch<br />

114<br />

Vgl. Mans Ray: The <strong>Baul</strong>s of Birbhum, Calcutta, 1994, 43<br />

115<br />

Ibid., 43<br />

116<br />

Vgl. Chanchal Kumar Chatterjee: Studies in The Rites and Rituals of Hindu Marriage in Ancient India,<br />

1978, 161-170<br />

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