1996_Moreau.pdf
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Das Konzept der natürlichen Einheit stößt bei FASSNACHT (1979, S.81ff) allerdings auf<br />
Kritik. Seiner Ansicht nach ist die Realität an sich nicht natürlich unterteilbar, sondern<br />
nur unter einem bestimmten Blickwinkel oder im Hinblick auf die Beobachtungsabsicht in<br />
bedeutungsvolle Einheiten zu unterteilen. "Beobachtungsinhalte sind [...] an und für sich<br />
überhaupt nicht bedeutungsvoll. Erst [...] im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung<br />
erlangen Daten eine Bedeutung. Kontext und Verwendungszweck sind jedoch oft<br />
implizit vorhanden, so daß der Anschein erweckt wird, Daten seien von sich schon<br />
bedeutungsvoll. Die Bedeutung von Daten ergibt sich jedoch im Rahmen einer<br />
bestimmten Praxis oder Theorie" (FASSNACHT 1979, S.85).<br />
Während die formale Einheitenbildung nach einem festgelegten Zeitraster die<br />
Beobachtung recht zuverlässig macht, da "sich jede Notierung eines Beobachters genau<br />
lokalisieren" (GREVE & WENTURA 1991, S.78) und eine gute Schätzung hinsichtlich<br />
Häufigkeit, Dauer und Auftretenswahrscheinlichkeit des zu beobachtenden Verhaltens<br />
ermitteln läßt, ist die semantische Einheitenbildung fehleranfälliger. FASSNACHT (1979,<br />
S.78) unterstreicht, daß die Einteilung in feine Zeitraster vergleichsweise objektiver ist<br />
als grobere Einheitenbildungen. Gleichzeitig schränken letztere die Perspektive auf ein<br />
manchmal nicht mehr valides Maß ein. Auch FRIEDRICHS (1990, S.287) betont, daß<br />
mit zunehmender Dauer der Beobachtung beim Beobachter mehr Fehler auftreten und<br />
darüberhinaus bei der Wahl einer zu großen Verhaltenseinheit die Gefahr der Instabilität<br />
des zu beobachtenden Verhaltens anwächst. Und FISSENI (1990, S.149) empfiehlt<br />
"disjunktive Beobachtungseinheiten", die "wenig Redundanz einschließen" und mahnt,<br />
daß zu breite Beobachtungseinheiten "dem Beobachter zuviel Freiraum für<br />
Interpretationen" lassen.<br />
Angesichts der Fülle von Zugängen ist BUNGARDs Ansicht pragmatisch, wenn er sagt,<br />
es ließen sich "für die Auswahl sachlich angemessener Beobachtungseinheiten keine<br />
Kunstregeln vorgeben. Das Problem muß aus der konkreten Aufgabenstellung gelöst<br />
werden" (BUNGARD 1980, S.80). Auch FASSNACHT (1979, S.80) spricht sich letztlich<br />
für eine pragmatische Lösung aus, wenn er die "Filigranwissenschaft der<br />
Verhaltensbeschreibung" mit ihrer "Liebe fürs Detail" kritisiert. Im Prinzip kann aus dem<br />
Verhaltensstrom "eine kaum überschaubare und praktisch gesehen unendliche Anzahl<br />
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