linguistische
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haben die Tendenz, sich selbst (in ihrem aktuellen Wissensstand) als<br />
Modell für den Adressaten/die Adressatin zu nehmen. Hier ist es zweckmäßig,<br />
sich Informationen über die LeserInnenschaft zu beschaffen, an<br />
die sich die Publikation richten soll. Bei wissenschaftlichen Zeitschriften<br />
kann z.B. auch das Studium des Editorial Board (Beirat) und natürlich auch<br />
der HerausgeberInnen selbst interessante Auskünfte geben, abgesehen von<br />
den Publikationsrichtlinien, in denen meistens auch die Veröffentlichungspolitik<br />
explizit beschrieben wird. Allerdings darf an dieser Stelle ein Hinweis<br />
auf explizite und implizite LeserInnenschaft nicht fehlen: Viele Texte<br />
richten sich an der Oberfläche zwar an ein bestimmtes Lesepublikum (z.B.<br />
die wissenschaftliche Gemeinschaft), sie werden jedoch von einer anderen<br />
Gruppe (HerausgeberInnen, GutachterInnen) bewertet und evaluiert.<br />
Dessen sollten sich Schreibende beim Verfassen von Texten bewusst sein.<br />
Studierende wiederum nehmen als Modell häufig die vermuteten Erwartungen<br />
der Lehrenden, so wie sie glauben, dass Lehrende meinen, dass sie<br />
schreiben sollen. Dies ist im Prinzip keine schlechte Strategie, da die Lehrenden<br />
ja auch die primären AdressatInnen ihrer Arbeiten sind (bis hin zur<br />
Dissertation!), allerdings ist gerade hier eine Explizierung der unbewussten<br />
Imitationsstrategien von besonderer Bedeutung. Denn erst durch das<br />
Bewusstmachen dessen, was eigentlich imitiert wird, ist ein kreativer und<br />
eben nicht nur nachahmender Umgang mit den Kenntnissen möglich.<br />
Wie wichtig die AdressatInnenperspektive ist, mag eine Anekdote<br />
illustrieren, die über Louis Pasteur erzählt wird. Wenn er bei seinen Forschungen<br />
einmal nicht weiter wusste, berief er für die folgende Woche<br />
eine Pressekonferenz ein, für die er Lösungen des Problems ankündigte.<br />
Diese Perspektivenänderung („Was wird gewesen sein?“, „Was könnte Zeitungsleute<br />
interessieren?“) half ihm, fruchtbare Forschungsstrategien zu<br />
finden, deren Ergebnisse er dann den JournalistInnen tatsächlich präsentieren<br />
konnte. Das Durchspielen des Problems für die Pressepräsentation<br />
bewirkte eine erhöhte Aufmerksamkeit und fokussierte die Fragestellung<br />
unter Umständen darauf, was sich die Presse erwarten würde. Dies wiederum<br />
wirkte sich auf die Forschungsarbeit aus. Obwohl diese Vorgangsweise<br />
(mit der Presse) natürlich nicht wirklich belegt ist, lässt sich doch<br />
leicht ihre prinzipielle Wirksamkeit nachvollziehen. Weick (1995, 282ff)<br />
hat dies einmal als Denken im zweiten Futur bezeichnet. Um diese Sichtweise<br />
entwickeln zu können, ist es jedoch notwendig, Schreiben als einen<br />
Prozess, der von verschiedensten Faktoren (Erwartungen) mitgesteuert<br />
wird, zu begreifen.<br />
Textuelle Funktion – wie wird Sprache zum Text?<br />
Die dritte Funktion nennt sich textuelle Funktion. Hiermit meint die<br />
Linguistik die sprachliche Organisation und Strukturierung eines Textes.<br />
Sie geschieht auf einer Makro- und einer Mikroebene und ist natürlich<br />
vom Genre abhängig. Die drei Konzepte Genre, Makrostruktur und<br />
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