04.12.2012 Aufrufe

linguistische

linguistische

linguistische

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

sich Satz für Satz entfaltenden Selbststimulation. Damit verbunden<br />

ist der Verlust der Illusion der Einheitlichkeit und Geschlossenheit<br />

der Handlung. Dieser Verlust erklärt einiges, wovor die professionellen<br />

Berater (meist) ratlos stehen:<br />

Die handschriftlichen Klausuren, in wenigen Stunden unter Aufsicht<br />

verfertigt, seien bei vielen Studenten häufig besser als die am<br />

Computer verfassten Hausarbeiten. (Beyer in Spiegel 15/2001)<br />

(11) Aus dem Schreiben nach dem Anschubprinzip wird ein Schreiben<br />

nach dem Anschubprinzip mit Teil- und Zwischenzielorientierung<br />

und vielen Arten der Zerlegung (s.o.).<br />

(12) Wenig Routine, vielfach unbegriffene neue (besondere) Aufgabe<br />

und Kürzest-Erwerbszeiten gehen eine unheilvolle Verbindung ein.<br />

Und das, wo man doch weiß, dass die Bemühungen um Verbesserungen<br />

der sprachlichen Kompetenz nur nachhaltig angelegt werden<br />

können. Mit Erträgen ist in Jahren, nicht in Tagen oder wenigen<br />

Wochen zu rechnen.<br />

(13) Langtexte erfordern wegen der langen Produktionszeit ein bisher<br />

in Bezug auf das Schreiben nie praktiziertes Ausmaß an Selbstorganisation,<br />

an weit reichender Motivation, Zeitmanagement, Einsatz<br />

von Arbeitsdisziplin, Arbeits(-ein-)teilung, Aufgaben- und Prozesszerlegung.<br />

Die Selbstbelohnung, die oft mit der erledigten Aufgabe<br />

verbunden ist, liegt in weiter Ferne. Zusätzlich zur Globalmotivation<br />

müssen Zwischenmotivationen aufgebaut werden. Schreibende<br />

müssen lernen, mit Fragmenten, Versuchen, Textteilen zu leben.<br />

(14) Es ist ein langer Weg zum Langtext. Doch niemand interessiert sich<br />

für den Weg. Im Gegenteil: der Weg darf im Produkt nicht mehr<br />

sichtbar sein. Anders als beim Spontanschreiben: Dort erscheint das<br />

Wissen, das aktiviert und bearbeitet wird, chronologisch im Text,<br />

d.h., in der Abfolge, in der es dem Schreiber eingefallen ist. Der Weg<br />

ist in der Abfolge sichtbar. Beim elaborierten Schreiben dagegen sind<br />

Auffindung und Präsentation zwei ganz verschiedene Vorgänge.<br />

Vierzehn Dimensionen des sich verändernden Schreibverhaltens also,<br />

manche wie die dreizehnte, selbst hoch komplex! Das heißt doch auch:<br />

Vierzehn Dimensionen, in denen es eine Kompetenzentwicklung gibt<br />

und sich eine Lerngeschichte abspielt, und vierzehn Dimensionen, in<br />

denen die Kompetenzentwicklung durch hilfreiche didaktische Arrangements<br />

und helfende Hände beim Lernen gefördert bzw. gehemmt werden<br />

kann?<br />

Ja, das heißt es. (Wenn man die Ausführungen zu den Problemen<br />

mit der Schreiberrolle noch dazunimmt, die im Folgenden vorgetragen<br />

werden, sind es sogar fünfzehn Dimensionen.) Aber das ist eine andere<br />

Geschichte. Fast eine unendliche. So unendlich wie die Kompetenzentwicklung<br />

selbst, von der man auch weiß, dass sie nie zu Ende ist.<br />

Nie zu Ende – das hat auch der Genfer Psychologe Edouard Claparède<br />

(ein Mentor von Piaget) an sich selbst erfahren müssen. Wahrlich, er war<br />

kissling_korr.1.indd 95 14.09.2006 11:09:35 Uhr<br />

95

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!