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dazu der bewusste Umgang mit der eigenen Arbeitszeit und dem eigenen<br />
Werk – diese Parameter wurden in ExpertInneninterviews als Ergebnisse<br />
erfolgreicher Diplomarbeitsverläufe beschrieben. Diese Chancen werden<br />
für Studierende allerdings selten erkennbar und auch kaum kommuniziert.<br />
Stattdessen bleibt den DiplomandInnen oft eine Wahrnehmung<br />
von der Diplomarbeit als unveränderliches akademisches Ritual, das,<br />
seit Generationen unhinterfragt, mit einem gewissen traditionsschweren<br />
Leiden verbunden ist.<br />
Zur aktuellen Situation von DiplomandInnen am Beispiel<br />
der Geisteswissenschaftlichen Fakultät in Graz –<br />
erste Ergebnisse einer Fragebogenerhebung<br />
Im Rahmen meiner Dissertation führe ich seit Ende Juni 2003 (in Kooperation<br />
mit dem Vizerektorat für Lehre und dem Dekanat der Geisteswissenschaftlichen<br />
Fakultät) eine Fragebogenerhebung mit den DiplomandInnen<br />
der geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen der Karl-Franzens-Universität<br />
Graz durch. Bei einem Rücklauf von rund 44 % der ausgegebenen<br />
Fragebögen konnte ich anhand der Antworten von 110 DiplomandInnen<br />
im November 2003 eine erste deskriptive Zwischenauswertung vornehmen.<br />
Bei dieser Stichprobe handelt es sich zu 80 % um Frauen und zu über einem<br />
Drittel um Studierende, die bereits vor Studienbeginn eine Berufsausbildung<br />
abgeschlossen hatten. Fast zwei Drittel der Befragten waren während<br />
des Studienjahres erwerbstätig, und zwar im Durchschnitt im Ausmaß<br />
einer halbtägigen Beschäftigung. Wenn auch familiäre Verpflichtungen<br />
in dieser Stichprobe (noch) keine große Rolle spielen, so bestätigen diese<br />
Daten doch das Bild der Studierenden, die sich zwischen verschiedenen<br />
Rollen verorten (müssen) und ihre Identität längst nicht mehr vorwiegend<br />
über die Universität definieren (vgl. z.B. Brendel/Metz-Göckel 2002).<br />
Diese Studierenden arbeiteten durchschnittlich rund eineinhalb Jahre<br />
lang an ihrer Diplomarbeit, und zwar zu drei Vierteln an selbst vorgeschlagenen<br />
Themen, die sie sehr stark nach persönlichem Interesse auswählten<br />
(eine mögliche Umsetzbarkeit der Diplomarbeit am Arbeitsmarkt spielte<br />
bei der Themenwahl die geringste Rolle). Ihre Einstellungen zu Beginn der<br />
Diplomarbeit beschrieben die DiplomandInnen im Rückblick überwiegend<br />
positiv – besonders positiv waren die Einstellungen zum selbstständigen<br />
Arbeiten, etwas skeptischer die Einstellungen zum Schreiben eigener Texte<br />
und annähernd neutral die zum wissenschaftlichen Arbeiten. Eine solche<br />
freundlich-neutrale Einstellung zum wissenschaftlichen Arbeiten verbindet<br />
sich mit dem oben beschriebenen relativ geringen Wissenschaftsinteresse<br />
in den Studienmotiven und Berufswünschen Studierender zum Bild<br />
eines gewissen distanzierten Desinteresses, das anhand der Aussagen einiger<br />
ExpertInnen eine Erklärung findet: Demnach würden Studierende die<br />
Wissenschaft vielfach als Mittel zum Zweck begreifen, und zwar zum Zweck<br />
des Zugangs zu Inhalten im Studienverlauf oder zum Zweck des Studien-<br />
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