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schaftlichen Forschung Veränderungen … (Seminararbeit 2002); Zu<br />

den schulischen Methoden zählen auch die Schreibhaltungen Fabulieren,<br />

Argumentieren, Informieren und Appellieren. Sie können alle<br />

noch verfeinert werden, man kann ins Detail gehen. Weiters dienen<br />

die Textsorteneinteilungen, wie Werbemärchen, Leserbrief, moderne<br />

Fabel, Schlagertext, Vokalgedicht, Flugblatt usw. der Methode beim<br />

Schreiben. (Seminararbeit 2002). „Deutsch ist“, sagte Tucholsky<br />

(1990, 75), „bekanntlich da am schönsten, wo es an den Rändern<br />

gen den Wahnsinn hin verschwimmt: aus Kinderfehlern kann man<br />

mehr über die Muttersprache lernen als aus dem ganzen Goethe …“<br />

Aus dem Abrakadabra vieler Studierender auch.<br />

(3) Bearbeitung domänenspezifischer Themen. Verglichen mit den<br />

Schulthemen sind akademische Themen viel weiter vom Alltag und<br />

von der konkreten Erfahrung entfernt. Sie stammen aus Teilfächern<br />

(d.h. Domänen) und sind deshalb meist sehr speziell. Ihre Behandlung<br />

erfordert ein Ausmaß an Differenzierung, das der Alltag nicht<br />

kennt. (Die Differenzierung ist ein Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit,<br />

sie sprachlich zu bewältigen ein Indikator für Formulierungskompetenz.)<br />

Doch die Themen sind nicht nur domänenspezifisch. Aus einem<br />

Brief von Konrad Lorenz an Oskar Heinroth: „Ich bemühe mich<br />

gegenwärtig (d.i. seit heute) alles, was ich über die Flugtechnik<br />

der Vögel an meinen Paradefliegern ‚gesehen zu haben behaupten<br />

zu dürfen glaube‘, in geschriebene deutsche Sprache zu fassen, was<br />

viel schwerer ist, als einfach Beobachtungen biologischer Natur zu<br />

erzählen.“ (Lorenz in Heinroth/Lorenz 1988, 86). Selbst ein äußerst<br />

sprachmächtiger Mann wie Lorenz, ein „begnadeter Raconteur“<br />

(Bischof 1993, 78; Raconteur = Erzähler), hat ihn als Problem wahrgenommen<br />

– diesen Wechsel vom agensorientierten, persönlichen<br />

Erzählen (meine Paradeflieger) zur Behandlung eines deagentiviert<br />

dargestellten Sachthemas (die Flugtechnik) (Agens = ‚agierendes<br />

Subjekt‘, de-agent-iviert = ‚vom Agens absehend, abstrahierend‘). Es<br />

war auch für ihn ein Übergang vom alltagssprachlichen Verhalten,<br />

wie es auch in Briefen (mehr oder weniger) praktiziert wird (vgl. den<br />

Brief von Simenon oben), zum akademischen Schreiben.<br />

Es war für Lorenz eine besondere Anstrengung, vom narrativen,<br />

quasi-naturwüchsigen Verhalten des Erzählens überzugehen zum<br />

darstellenden Verallgemeinern, wie es in der Wissenschaft üblich ist.<br />

Denn erzählt wird von Individuen und entlang eines klaren Schemas<br />

für die Grobstruktur (Erzählschema) (Lorenz hat diesen Tigersprung<br />

– meisterlich – gelöst. Den Nobelpreis hat er nicht als Erzähler<br />

bekommen. Es war der Nobelpreis für Medizin. Aber popularisieren<br />

konnte er seine Lehre auch auf Grund seiner Fähigkeit, auch noch in<br />

der Wissenschaft, wenn auch subkutan, zu erzählen.).<br />

Er, Konrad Lorenz, hatte sie alle – die Daten, die Beobachtungen<br />

an seinen Fliegern, den Individuen. Aber er musste über die Flug-<br />

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