04.12.2012 Aufrufe

linguistische

linguistische

linguistische

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

184<br />

deutlich, dass spezifische Formen der Auseinandersetzung, der Denkweisen<br />

und Darstellungsformen anscheinend einen zu geringen Stellenwert<br />

im Rahmen der universitären Ausbildung einnehmen. Umso mehr<br />

muss versucht werden, beides zu besprechen und in konkreten Übungen<br />

umzusetzen. Im universitären Feld gibt es gemäß den Erzählungen der<br />

Studierenden kaum Orte, wo das Konzipieren und Formulieren wissenschaftlicher<br />

Texte geübt wird. Nur zögerlich werden Lehrveranstaltungen<br />

angeboten, in denen nicht nur Methodisches gelehrt, sondern<br />

dessen praktische Anwendungen vermittelt werden. Nicht selten gehen<br />

Studierende aus den Sprechstunden halbwissend nach Hause und erfahren<br />

zwar, dass sie etwa ein Konzept/Exposé erstellen, eine paraphrasierende<br />

Darstellung der Interviews oder eine dialogisierende Darstellung<br />

von Inhalten verfassen sollen, doch zumeist erfahren sie nicht, wie sie<br />

diese Aufgaben tatsächlich umsetzen können. Genauer nachzufragen ist<br />

ihnen zufolge eher tabuisiert und mit Befürchtungen behaftet, die eigene<br />

Unwissenheit preiszugeben und als „dumm“ abqualifiziert zu werden.<br />

Aus der anscheinend unzureichenden Vermittlung wissenschaftlicher<br />

Kriterien resultieren Uninformiertheit und falsche Vorstellungen über<br />

die Erfordernisse wissenschaftlichen Arbeitens, das in der gleichzeitigen<br />

Realisierung von Teilprozessen besteht. Insbesondere über die Phase des<br />

eigentlichen Schreibens und über Denkprozesse herrscht Unklarheit.<br />

Verbunden mit mangelnden Fachkenntnissen sind eklatante Zweifel<br />

hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeiten keine Seltenheit,<br />

die häufig zur Individualisierung der Problematik führen: Gefühle der<br />

Dummheit, Faulheit, intellektuellen Unzulänglichkeit, von Zweifel, Hilflosigkeit<br />

und Stress führen oftmals zu Vermeidungsverhalten, einem<br />

„Mit-Sich-Schleppen“ der noch fertigzustellenden Arbeit. Im Sinne der<br />

Zweifel zeigen sich in meinen Veranstaltungen Frauen öfter unsicherer<br />

als ihre Kollegen. Differenzen unter Studierenden zeigen sich ebenso im<br />

Hinblick auf Interkulturalität (ein bislang kaum analysiertes Thema im<br />

Rahmen der Schreibprozessforschung) und auf Unterschiede gemäß der<br />

sozialen Herkunft von Studierenden. (Darauf jeweils analysierend einzugehen<br />

bedürfte allerdings eines eigenen Beitrages.)<br />

Die wissenschaftlichen Schreibwerkstätten, die ich durchgeführt habe<br />

und durchführe, zeigen aber auch, dass Studierende diese nicht nur „hilfesuchend<br />

als letzte Möglichkeit“ frequentieren. Im Gegenteil, die meisten<br />

Studierenden geben an, sich prophylaktisch Unterstützung zu holen und<br />

zwei Drittel von ihnen stellen an sich höhere Leistungsansprüche als die<br />

Universität vorgibt.<br />

Der Mangel wissenschaftlicher Schreibkompetenz von Studierenden<br />

ist weder ihre je individuelle Schwierigkeit noch ist m.E. deren adäquate<br />

Vermittlung nur ein individuelles Problem der Lehrenden (z.B. Zeitproblem).<br />

Strukturelle Probleme im Rahmen der universitären Ausbildung<br />

spielen eine wesentliche Rolle für Schreibschwierigkeiten bei Studierenden.<br />

Wissenschaftspolitische und damit verbundene finanzielle Ursachen<br />

sind auch in Österreich daran beteiligt, nicht ausreichende Ressourcen<br />

kissling_korr.1.indd 184 14.09.2006 11:10:02 Uhr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!