linguistische
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eine (im Rahmen einer Theorie etc. bestehende) Annahme formulieren;<br />
(b) eine Forschungslücke aufzeigen; (c) ein allgemeines Problem oder<br />
eine Frage formulieren, oder (d) explizit eine Forschungstradition fortführen.<br />
Sie werden allerdings in den meisten Fällen nicht alle vier Züge<br />
verwenden, um die eigene Forschung zu rechtfertigen, und je nachdem<br />
welche(n) der vier Züge sie wählen, werden sie auch den Rest ihres Aufsatzes<br />
verschieden gestalten müssen.<br />
In Bezug auf die sprachliche Ausgestaltung des Literaturteils werden<br />
hauptsächlich zwei verschiedene Arten der Darstellung der Sekundärliteratur<br />
diskutiert, der so genannte „stark autorenorientierte“ und der<br />
„schwach autorenorientierte“ Stil. Unter einem stark autorenorientierten<br />
Stil versteht man dabei, dass die AutorInnen der Sekundärliteratur syntaktisch<br />
integriert am Satzbeginn erwähnt werden und der Inhalt ihrer<br />
Arbeit im Rest des Satzes präsentiert wird (also z.B.: „Meyer [1975] zeigt,<br />
dass die Erde eine Scheibe ist.“). Eine durchgängige Verwendung dieses<br />
Stils resultiert in relativ deskriptiven Textabschnitten, die ein starkes<br />
inhaltliches Gliederungskriterium (temporal, nach einzelnen theoretischen<br />
Ansätzen etc.) benötigen, um nicht unübersichtlich und ermüdend<br />
zu werden.<br />
Im Gegensatz dazu erscheinen die AutorInnen im schwach autorenorientierten<br />
Stil syntaktisch nicht integriert am (oder gegen) Ende eines<br />
Satzes, in dem der Inhalt ihrer Arbeit referiert wird (z.B.: „In der Literatur<br />
besteht seit längerer Zeit darüber Einigkeit, dass die Erde eine Scheibe ist<br />
[Meyer 1975].“). Dieser Stil erlaubt einen stärker argumentativen Duktus<br />
und die Entwicklung einer eigenen Perspektive auf die Sekundärliteratur.<br />
In der Kurseinheit werden die Vor- und Nachteile dieser beiden Darstellungsweisen<br />
erläutert. 2 Daneben werden auch noch unterschiedliche<br />
Arten der Wiedergabe der Sekundärliteratur (wörtliches Zitat vs. indirekte<br />
Rede vs. freie indirekte Rede) und die Bedeutung unterschiedlicher<br />
Klassen redeberichtender Verben (positiv oder negativ wertende vs. neutrale)<br />
diskutiert.<br />
Anhand von Beispieltexten lernen die Teilnehmenden die <strong>linguistische</strong>n<br />
Einheiten selbst zu erkennen und auch zu verändern. Das Ziel<br />
dieser Kurseinheit ist es, die Teilnehmenden für die „versteckte Rhetorik“<br />
wissenschaftlicher Texte zu sensibilisieren, d.h. ihnen zu vermitteln,<br />
dass und wie wissenschaftliche Texte persuasiv sind und dies gleichzeitig<br />
verschleiern (Bazerman 1988). Die KursteilnehmerInnen sollen dabei<br />
sowohl in die Lage versetzt werden, diese Rhetorik in den Texten anderer<br />
zu erkennen als auch selbst solche rhetorischen Anforderungen beim<br />
Schreiben zu erfüllen.<br />
Am zweiten Halbtag des Theorieteils vermittle ich den Teilnehmenden<br />
grundsätzliche Kenntnisse über die thematische Progression in wissenschaftlichen<br />
Texten und ihre Manipulierbarkeit. Es werden hier das<br />
Konzept sowie verschiedene Typen thematischer Progression vorgestellt<br />
und schließlich der Zusammenhang der thematischen Progression mit<br />
größeren Texteinheiten besprochen (thematische Sätze/advance organi-<br />
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