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ten Prüfungscharakter) reduzieren. DiplomandInnen schreiben in aller<br />

Regel allein an ihren Arbeiten und versuchen dabei, die Textproduktion<br />

an Modellen fertiger Texte zu erlernen, da ihnen ein Modell für wissenschaftliche<br />

Schreibprozesse meistens fehlt. In diesem Zusammenhang<br />

beklagen DiplomandInnen, die Einzelschritte des wissenschaftlichen<br />

Lesens und Schreibens nie explizit kennen gelernt zu haben, den Umgang<br />

mit großen Literaturmengen belastend zu erleben und die selbstständige<br />

Anwendung von erlernten Forschungsmethoden nicht zu beherrschen.<br />

Wesentliche Voraussetzungen für die Abschlussarbeit nicht gelernt zu<br />

haben und sich strukturell und sozial in einem leeren Raum wieder zu<br />

finden sind die häufigsten Klagen im Diplomarbeitsprozess.<br />

Bei näherer Betrachtung der österreichischen Rahmenvorgaben werden<br />

einige dieser Schwierigkeiten im Diplomarbeitsprozess verständlich.<br />

Nach dem im Januar 2004 in Kraft gesetzten Universitätsgesetz dienen<br />

Diplom- und Magisterarbeiten (quasi als schriftliche Prüfungsarbeiten)<br />

dem Nachweis der Befähigung, „wissenschaftliche Themen selbstständig<br />

sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten“ (vgl. BGBl<br />

2002/120, § 51 Abs. 2). Damit wird die Begriffsbestimmung aus dem<br />

bisher gültigen Universitäts-Studiengesetz von 1997 unverändert fortgeführt<br />

(vgl. BGBl 1997/48, § 4 Abs. 5). Unter dem Prüfungsaspekt war<br />

die PrüferInnenfunktion der wissenschaftlich Betreuenden (durch die<br />

offizielle Beauftragung eines Amtsgutachtens) wesentlich klarer geregelt<br />

als die BetreuerInnenfunktion, die zwar benannt, aber – im Sinne der<br />

Freiheit der Lehre – nicht näher spezifiziert wurde. 2<br />

Tatsächlich zeigt die Praxis deutlich, dass ein Großteil dessen, was<br />

anhand der Diplomarbeit als vorhandene Fähigkeit überprüft werden<br />

soll, erst im Diplomarbeitsprozess selbst gelernt wird. Der deklarierten<br />

Prüfungsfunktion steht ein praktischer Lernprozess gegenüber. Aus<br />

diesem Doppelcharakter der Diplomarbeit zwischen Prüfung und Lernanlass<br />

entsteht ein Rollenwiderspruch auf Seiten der Studierenden (zwischen<br />

beobachteten Prüflingen und selbstständig Lernenden) und auf<br />

Seiten der Betreuenden (zwischen distanzierten BeurteilerInnen und<br />

wohlwollenden InstruktorInnen oder WegbegleiterInnen).<br />

Für den tatsächlichen Lernprozess in der Diplomarbeitsphase gibt es<br />

keinen konkret ausformulierten pädagogischen Begleitauftrag – für einen<br />

solchen fehlen neben der gesetzlichen Grundlage auch institutionelle<br />

Rahmenbedingungen. Der Lernauftrag liegt mit dem Verweis auf die<br />

Selbstständigkeit der Bearbeitung bei den DiplomandInnen selbst, und<br />

wenn auch in der Praxis eine Art wohlwollende Anleitung seitens wissenschaftlicher<br />

BetreuerInnen stattfindet, beruht diese doch weitgehend auf<br />

Freiwilligkeit und kann kaum die Summe der im Diplomarbeitsprozess<br />

entstehenden Unterstützungsbedürfnisse abdecken. De facto erwarten<br />

Studierende aber die notwendige Unterstützung im Diplomarbeitsprozess<br />

vor allem von ihren BetreuerInnen. Wo TutorInnen für Diplomand-<br />

Innenseminare fehlen, ist die dyadische Betreuungsbeziehung weiter<br />

belastet. Außerdem bot schon bisher die finanzielle Abgeltung für die<br />

kissling_korr.1.indd 188 14.09.2006 11:10:03 Uhr

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