04.12.2012 Aufrufe

linguistische

linguistische

linguistische

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

62<br />

Als ich fünf Jahre nach meinem Studienaufenthalt in Kalifornien aus<br />

beruflichen Gründen für ein Jahr nach New York ging, hatte ich mich<br />

bereits über die Hintergründe meiner positiven Schreiberlebnisse in Berkeley<br />

informiert: Die Methoden des Creative Writing hatten seit den 1970er<br />

Jahren in den wissenschaftlichen Lehrbetrieb der Universitäten und Fakultäten<br />

Einzug gehalten (Writing-Across-the-Curriculum). Jetzt wollte ich die<br />

amerikanische Schreiblehre genauer kennen lernen und meldete mich an<br />

der New York University für ein Seminar namens Can I Really Write? an.<br />

Über 60 (!) Kurse zum Schreibenlernen waren im Katalog der School of<br />

Continuing and Professional Studies (Weiterbildungszweig der New York<br />

University) im Frühjahr 2001 in der Sektion Writing and Speech aufgelistet.<br />

Can I Really Write? war eine intensive Einführung in kreative Schreibmethoden<br />

und literarische Strategien. Es scheint mir sinnvoll, hier die<br />

wesentlichen Ansätze dieses Kurses zu beschreiben, sind sie doch auch für<br />

wissenschaftliches Schreiben anwendbar und stellen eine brauchbare Alternative<br />

zur Methode „Zähne zusammenbeißen und durch“ dar. Studierende,<br />

die jahrelang ihre Diplomarbeiten aufgeschoben haben, finden in meinen<br />

Schreibkursen mit diesen Methoden Freude am Schreiben und schließen<br />

zügig mit kompetenten wissenschaftlichen Arbeiten das Studium ab.<br />

A. Freewriting<br />

Ein wichtiger Ansatz der amerikanischen Schreibschule ist es, fürs Erste<br />

einfach zu schreiben, was einem so einfällt: ein wilder, freier Rohtext zu<br />

einem Ausgangsthema. Peter Elbow war der Vorreiter des Freewriting,<br />

und Natalie Goldberg hat Regeln dafür formuliert (Goldberg 1986, 8):<br />

Nicht lesen, was man gerade geschrieben hat, keinesfalls etwas ändern.<br />

Wichtig ist, eine vorher festgesetzte Zeit lang (z.B. 10 Minuten) die Hand<br />

ohne Unterbrechung schreibend zu bewegen, aufzuschreiben, was immer<br />

einem in den Sinn kommt. Exkurse und Nonsens sind erlaubt. Rechtschreibung,<br />

Grammatik und Form sollen hier noch keine Rolle spielen.<br />

Ziel des Freewriting ist es, den Schreibfluss zu aktivieren: Wenn das<br />

Schreiben leicht von der Hand geht, kann, was gedacht werden kann,<br />

auch geschrieben werden. Das Augenmerk der amerikanischen Schreiblehrmethode<br />

liegt also am Schreibfluss. Wenn zwischen Denken und<br />

Schreiben eine direkte Verbindung besteht, funktioniert das Schreiben.<br />

Alle Zwischenschritte sind – besonders für den Anfänger – hinderlich.<br />

Wer zu viel plant, vordenkt, glaubt, die ganze fertige Arbeit vor sich sehen<br />

zu müssen, behindert sich. Denn Schreiben ist Prozess, ein Satz entsteht<br />

aus dem anderen, ein Gedanke entsteht nach dem anderen. Wer vor dem<br />

Schreiben alles zu Ende denkt, verhindert diesen Prozess. Also setz dich<br />

hin und schreib einfach drauflos! Interessanterweise entstehen – nach<br />

etwas Übung – aus dem Freewriting oft schon gelungene Texte bzw. Textabschnitte,<br />

die durch Überarbeitungen auf ein noch besseres Niveau<br />

gehoben werden können.<br />

kissling_korr.1.indd 62 14.09.2006 11:09:24 Uhr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!