linguistische
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wo fragwürdige politische Trends und universitäts-betriebswirtschaftliche<br />
Argumente die Argumente der Hochschulpädagogik und Schreibforschung<br />
zu überrollen drohen. – Möge der Sammelband einen Beitrag<br />
dazu leisten.<br />
Anmerkungen<br />
1 Ein solcher Berufsbereich ist z.B. jener des Bauingenieurs. Die Erwartungen an seine<br />
Schreibkompetenz kamen in einer Stellungnahme der Studienkommission Bauingenieurwesen<br />
und Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen der TU Graz zur Sprache, und<br />
zwar im Rahmen einer vom BG und BRG Leibnitz durchgeführten schriftlichen Befragung<br />
Grazer Universitäten zur Schnittstellenproblematik AHS – Universität: „Schriftsätze<br />
stellen eine wesentliche Grundlage der Kommunikation innerhalb des zur Herstellung<br />
eines Bauwerkes notwendigen Teams dar. Dieses Team ist im allgemeinen sehr<br />
umfangreich. Deshalb ist das Verfassen von Berichten eine häufige Tätigkeit. Anforderungen<br />
dazu betreffen den logischen Aufbau, einwandfreie Formulierung und nahezu<br />
fehlerfreie Orthografie.“ Jahresbericht des BG/BRG Leibnitz 1998/99. Leibnitz, 1999,<br />
S. 112–143, S. 114.<br />
2 Einige Beispiele zur kursorischen Explikation dieses Klimas: Die Aussage, der zufolge<br />
Österreich das Land mit den ältesten Studenten und den jüngsten Pensionisten in Europa<br />
sei (so z.B. der Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner, APA v. 7.10.2000,<br />
und Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Nationalrat, Sitzung v. 7.5.2003). Berichte<br />
über „flotte“ Medizinstudentinnen: „Mit einundzwanzig Jahren hat Haslinger bereits<br />
ihr Medizinstudium absolviert“, das „Turbostudium“ in „acht statt zwölf Semestern“<br />
habe ihr „jedenfalls einen ordentlichen Vorsprung gesichert“; Haslinger wird „Kopf des<br />
Tages“ (Der Standard v. 7.8.2004). Doch bald schon muss sie ihren Vorsprung mit einer<br />
anderen „flotten Medizinerin“ teilen, die ihr Studium ebenfalls „in Windeseile durchgezogen<br />
hat“, dabei „doppelt so schnell wie der ‚Durchschnittsmedizinstudierende’ in<br />
Österreich“ war und schon „heute […] promoviert“ (Der Standard v. 17.1.2006). Für<br />
das Klima sprechen Titel wie „Schneller studieren statt zahlen“, der „Leitfaden für mehr<br />
Effizienz im Studium“ (Kurier, Sonderausgabe WS 2000/01) und der Aufmacher eines<br />
MasterCard-Prospekts „Geben Sie ein bisschen Gas im Studium“. Doch auch innerhalb<br />
der Universitäten stößt undifferenzierte Studienbeschleunigung nicht nur auf Ablehnung:<br />
Der Wiener Sozialphilosoph Alfred Pfabigan leistete dafür Legitimierungsarbeit,<br />
indem er von einem studentischen „Leben in Überflusssemestern“ sprach (Der Standard<br />
v. 23.7.2004; vgl. die Replik von Lisa Mayr, Der Standard, 27.7.2004); und die Wiener<br />
Wirtschaftuniversität zeichnet Studierende ihrer als Exzellenzprogramm verstandenen<br />
Top League aus, wenn sie an die Mindeststudienzeit herankommen: „Wer den ersten<br />
Studienabschnitt in Mindestzeit absolviert, bekommt am Ende des dritten Semesters<br />
ein Zertifikat in die Hand, das […] gut für den Lebenslauf sein wird.“ (ORF, Ö1, 7-Uhr-<br />
Morgenjournal v. 17.7.2006)<br />
3 Diese Studierenden waren zugleich jene, die bereits gezwungen waren, neben dem<br />
Studium erwerbstätig zu sein; nach Einführung der Studiengebühren müssen sie ihre<br />
berufliche Arbeit ausdehnen, wodurch das dem Studium zur Verfügung stehende<br />
Zeitbudget weiter eingeschränkt wird. Um dennoch in absehbarer Zeit abschließen zu<br />
können, ist die Vermeidung aufwändiger Lehrveranstaltungen für manche Studierende<br />
ein nahe liegender, ihre Kompetenzen aber wenig fördernder Ausweg.<br />
4 Belohnt werden Organisationseinheiten mit vielen „prüfungsaktiven ordentlichen Studierenden<br />
innerhalb der vorgesehenen Studiendauer […] zuzüglich Toleranzsemester“<br />
sowie mit vielen „Abschlüsse[n] von Bakkalaureats-, Magister- und Diplomstudien<br />
innerhalb der vorgesehenen Studiendauer […] zuzüglich Toleranzsemester“ (Indikatoren<br />
1 und 3, siehe BGBI I 2006/120, § 4). Die Universität Wien kritisiert daran, dass<br />
die auf die Lehre bezogenen Indikatoren ausschließlich quantitative Kriterien berücksichtigen<br />
würden und den Universitäten nahe legten, „möglichst viele Studierende in<br />
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