linguistische
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die Frage, wie ein wissenschaftlicher Text gelesen werden kann, um ihn<br />
zu verstehen, in spezifischen Lehrveranstaltungen beantwortet und muss<br />
im Stadium der Diplomarbeit/Dissertation nur vertieft werden. Für<br />
viele Diplomierende und Dissertierende aber liegen auch diese Lehrveranstaltungen<br />
weit zurück, und sie wollen immer wieder wissen, wie sie<br />
das Wesentliche eines Textes erfassen können. In meinen Veranstaltungen<br />
rate ich Studierenden hier ein strukturiertes Exzerpieren von Texten<br />
an, das von einem Dialog mit den Publikationen einzelner AutorInnen<br />
ausgeht, denen – dem Forschungsgegenstand gemäß – spezifische Forschungsfragen<br />
gestellt werden, worauf Texte Antworten geben, denen<br />
„zugehört“ werden muss, die reflektiert, bedacht werden müssen und die<br />
Anregungen zum Weiterdenken und zum Denken geben (können).<br />
Hannah Arendt vertieft die Bedeutung des Schreibens, wenn sie<br />
formuliert, dass „das Schreiben […] Teil in dem Verstehensprozeß“ ist<br />
(Arendt 1996, 46). Die Begrenztheit der Vermittlung liegt hier auf der<br />
Hand: Denn wie ließe sich das Denken und Reflektieren anleiten, damit<br />
andere „richtig“ verstehen? Auch wenn eine Annäherung durch hermeneutisches<br />
Textverstehen geschehen kann, lassen sich in Geistes-, Kultur-<br />
bzw. Humanwissenschaften keine absolut gültigen Maßstäbe im Sinne<br />
des Richtig-Verstanden-Habens anlegen. Und über das Verständnis von<br />
Texten hinausgehend: Wie ließe sich der Akt des Verstehens im Prozess<br />
des Schreibens vermitteln? Doch kann ich Studierenden verdeutlichen,<br />
dass Schreibschwierigkeiten auch auf einem mangelnden Verstehen von<br />
Inhalten beruhen (können) und dass dem wissenschaftlichen Schreiben<br />
zunächst ein Verstehen vorangehen muss. Die oben erwähnte Frage von<br />
Seiten Studierender, wann sie lesen und wann sie mit dem Schreiben<br />
beginnen sollen, erhellt sich im Sinne des Verhältnisses zwischen Verstehen<br />
und Schreiben: Insofern unter Lesen nicht nur das Querlesen verstanden<br />
wird, dessen Sinn darin liegt, sich zunächst einen Überblick zu<br />
verschaffen, sondern das Durcharbeiten und Reflektieren von Texten bei<br />
gleichzeitigem Erstellen eines Exzerptes gemeint ist.<br />
Handwerkszeug und Imaginationstechniken beim Schreibbeginn<br />
Der Schwierigkeit, mit dem Schreiben zu beginnen, begegne ich in den<br />
wissenschaftlichen Schreibwerkstätten mit herkömmlichem wissenschaftlichem<br />
Handwerkszeug und mit Imaginationstechniken. Ersteres<br />
etwa, indem Studierende aufgefordert werden, zu Beginn eines Kapitels<br />
die Teilforschungsfrage zu formulieren, die zu bearbeitenden Materialien<br />
bzw. Lektüren auszuweisen und zu begründen, warum diese gewählt<br />
wurden. Ausgehend von dem (vorläufigen) Inhaltsverzeichnis und dem<br />
Exposé, verfertigen Diplomierende und Dissertierende damit zunächst<br />
eine Niederschrift und haben den Vorteil, die Leerheit des Blattes schnell<br />
überwunden zu haben. Zweiteres, die Überwindung von Beginnschwierigkeiten<br />
mithilfe von Imagination, ist weitaus komplizierter. Gemeint ist<br />
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