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Wissen in Erörterungen zwar entpersönlicht präsentiert, doch selbst<br />

dann bleibt der Schreiber als Regisseur hinter dem Text präsent; der<br />

Text wird sogar wegen der persönlichen Regieleistung prämiert. In<br />

den Texten der „harten“ Wissenschaften dagegen hat der Regisseur<br />

nichts zu suchen. Persönliche Regieleistung ist zwar auch da notwendig,<br />

aber nur auf dem Weg zum Text. Der Schlusstext sollte im<br />

Wesentlichen so aussehen, dass er von jedem/jeder hätte geschrieben<br />

sein können – frei von Individualität.)<br />

(6) Wissen wiedergebend schreiben – auf der Basis von Alltags-, also<br />

vor allem biographisch-episodischem Wissen. Das Wissen stammt<br />

aus der unmittelbaren Lebenswelt, ist also biographisch gewonnen<br />

und meist episodisch strukturiert; weil Erfahrungen episodisch<br />

gemacht werden. Es ist Wissen auf der Basis einfacher Alltagssachverhalte,<br />

erfahrungsgesättigt und erfahrungsstrukturiert.<br />

(7) Bearbeitung in der Modalität der Themenbehandlung des Alltags –<br />

im Wesentlichen: konkret, personal, ich-zentriert, exemplarisch,<br />

anschaulich und vor allem: pauschal. Der Einfluss der Werbung …<br />

ein beliebtes Sachthema. Der Werbung, ganz gleich, ob da für mehr<br />

Konsum oder für mehr Solidarität auf der Welt geworben wird. Das<br />

mühselige Geschäft des Differenzierens ist mit dem Spontanschreiben<br />

kaum zu vereinen. Denn Differenzieren heißt ‚Nachdenken‘ und<br />

Nachdenken heißt: ‚den Schreibfluss Unterbrechen‘ (‚eine Aktionspause<br />

Einlegen‘ hätten die älteren Denkpsychologen gesagt).<br />

(8) Bearbeitung entlang vertrauter Alltags-Makrostrukturen (z.B. Erzählstruktur)<br />

oder in – verglichen mit der Schriftlichkeit – thematisch<br />

lockeren Bezügen (wie beim Sprechen). Diese hat sich der Schreiber<br />

schon – als er noch Nur-Sprecher war – in langer Praxis angeeignet.<br />

„Auch in diesem Brief bin ich wieder vom Hundertsten ins Tausendste<br />

gekommen“ – schreibt Simenon in einem Brief an Gide<br />

(Simenon 2002, 416). Vom Hundertsten ins Tausendeste kommen –<br />

das führt im Text zu einer Teilthemenarchitektur (Komposition) mit<br />

lockeren thematischen Anknüpfungen (wenn nicht – wie bei der<br />

Erzählung – eine fixe Struktur vorgegeben ist).<br />

Damit verbunden ist die Entlastung von den Mühen der Komposition,<br />

die in bestimmten Aufgabenkonstellationen des elaborierten,<br />

z.B. des akademischen, Schreibens als die größten empfunden werden.<br />

Das Spontanschreiben folgt weitgehend dem Kompositionsprinzip<br />

der Mündlichkeit, und das ist hochgradig assoziativ und<br />

additiv: „Konversationen bewegen sich im Gelenk von Äußerungen<br />

wie ‚Nun gut‘, ‚Das erinnert mich‘ oder ‚Dabei fällt mir ein‘“. (Williams<br />

referiert von Seel in Zeit 23/2000, 47).<br />

(9) Schreiben für Interaktionspartner, die „am Rande“ des Kurztextes<br />

„sichtbar“ bleiben; vgl. den Begriff Sprache der Nähe (Koch/Oesterreicher<br />

1994, 588). Mit dem kommunikativen Aufsatzunterricht (vgl.<br />

Sitta 1982) wurden die Adressaten sogar direkt ins Klassenzimmer<br />

geholt; was nach Auskunft vieler Deutschlehrer die Schreibleistung<br />

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