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gehören in ein ganz anderes Spiel, in ein Spiel, das mindestens die Komplexität<br />

des Schachspiels hat. Ohne vorausgehende Information und<br />

ohne vorbereitendes Training der Teilnehmer ist das Spiel ein anderes<br />

geworden.<br />

Zwischen dem Dame- und dem Schachspielen-Können liegen Welten<br />

und vor allem auch: Lernschritte und Krisen. Denn plötzlich gibt es sie,<br />

die Schreib- und Leistungskrisen, die schlechten Noten und die Entäuschungen.<br />

Und das alles in der Jugendzeit! In der wichtigsten Umbauphase<br />

ihrer Entwicklung passiert auch noch dies: Jugendliche (später:<br />

Studenten), die gut oder passabel Dame gespielt haben, sitzen plötzlich<br />

vor einem Schachspiel und – sind verzweifelt. Es fehlt an allem: an Figuren<br />

und Figurenkenntnis ebenso wie an der Kenntnis der Spielregeln und vor<br />

allem – an Praxis. An Praxis, wie mit den neuen Anforderungen umgegangen<br />

werden kann, die so ein ganz anderes Ausmaß an Komplexität zu<br />

verarbeiten verlangen als alles, was bisher schreibend behandelt worden<br />

ist. Den neuen Anforderungen ist nicht mehr – nur – mit Spontanschreiben<br />

beizukommen (das Spontanschreiben bleibt natürlich eine wichtige<br />

Ressource). Sie verlangen neue Verhaltensformen, die zusammen das<br />

Verfahren der elaborierten Schriftlichkeit konstituieren.<br />

Merkmale der für das elaborierte Schreiben typischen Aufgabenkonstellation:<br />

(1) Schreiben von Langtexten: Langtexte statt Kurztexte – das ist nicht<br />

nur eine äußerliche, sondern eine auch kognitiv folgenreiche Veränderung,<br />

ausgelöst durch ein Mehr an zu verarbeitendem Material<br />

und den hohen Organisationsbedarf des Wissens.<br />

In der Schule wird das Schreiben von Langtexten nicht thematisiert<br />

und nicht geübt. (Ausnahme in Österreich – manchmal – die Facharbeit.<br />

Doch auch da sitzen nach meiner Beobachtung oft Dame<br />

spielende Schüler vor Schachproblemen.) Selbst das als Voraussetzung<br />

für die Aneignung von Textwissen wichtigste Verfahren, das<br />

Zusammenfassen, wird nur ein bisschen und zu früh geübt (um<br />

das Alter von 14 / 15 Jahren herum) und dann nicht mehr. Vom<br />

Zusammenfassen mehrerer Texte zum selben Thema ist wohl in den<br />

meisten Schulen überhaupt nie die Rede.<br />

(2) Bearbeitung in den besonderen Varietäten der Bildungs-, Fach- und<br />

/ oder Wissenschaftssprache (Varietät, also besondere Teilsprache,<br />

z.B. Fachsprache der Biologie). Woher kommt die Beherrschung<br />

der Einheiten der neuen Teilsprachen? – Aus Texten und aus der<br />

Lehre. Doch vor der Beherrschung steht der Erwerb – oft verbunden<br />

mit einer Reihe von Problemen. Werden diese nicht bewältigt,<br />

kommt es zu Formulierungsfehlern des Typs: Dieses Tabu verliert<br />

aber offensichtlich zumindest bei den Geisteswissenschaften langsam<br />

an Starrheit … (Proseminararbeit 2002); Die Frage, an welcher<br />

Stelle im Schreibprozess redigiert wird, unterlag im Laufe der wissen-<br />

kissling_korr.1.indd 84 14.09.2006 11:09:31 Uhr

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