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Im Hinblick auf die Anforderungen der Dissertation liegen vehemente<br />

Unsicherheiten in der Frage des Neuen. So herrscht insbesondere in<br />

geistes-, kultur- und humanwissenschaftlichen Disziplinen Unklarheit<br />

darüber, was neue theoretische Perspektiven oder neue Wege bedeuten:<br />

„Eigentlich erzähle ich doch nur nach, ich weiß gar nicht, was meines ist<br />

oder sein soll.“ „Wie, ich soll was ganz Neues bringen? Man kann doch<br />

nichts erfinden, oder?“ Ungeachtet einer philosophischen Diskussion über<br />

das Novum, welche eine Vermittlung der möglichen Bedeutungen dieser<br />

Anforderung im Universitätsgesetz insofern erschweren würde, als es tatsächlich<br />

schwierig ist, Neues zu denken und schriftlich darzulegen, können<br />

Studierende in wissenschaftlichen Schreibwerkstätten ihre jeweiligen<br />

Ansprüche gemäß ihrer Wissenschaftsdisziplin reflektieren und müssen<br />

sich darüber hinaus bei den BetreuerInnen Klarheit über die jeweiligen<br />

universitären Ansprüche verschaffen.<br />

In Bezug auf beide Arbeiten – Diplomarbeit und Dissertation – stellen<br />

Studierende in meinen Veranstaltungen nahezu ohne Ausnahme die<br />

Frage, was denn Wissenschaft überhaupt sei, und ab wann ihre Fragestellung<br />

eine Forschungsfrage, ihr Erkenntnisinteresse ein wissenschaftliches<br />

Erkenntnisinteresse und ihre (Hypo)These eine wissenschaftliche<br />

(Hypo)These sei. So etwa formulierte eine Studentin: „Wenn ich jetzt ‚Ich‘<br />

schreibe, also z.B. ‚ich glaube, dass muslimische Männer unsere Männer<br />

in Österreich beeinflussen‘, ist das dann eine wissenschaftliche These oder<br />

eher eine Hypothese?“ Und ein Student: „Passt das als Forschungsfrage,<br />

wenn ich schreibe: ‚Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Internetkommunikation<br />

und den veränderten Verhaltensweisen der türkischen und<br />

österreichischen Jugendlichen?‘“ Die Diskussion darüber führt zumeist zur<br />

Frage nach der Differenzierung zwischen persönlicher Auffassung und<br />

wissenschaftlich fundierten Aussagen, zur Frage nach Allgemeinplätzen<br />

und Pauschalisierungen und schließlich zur Frage des Objektivitätsanspruches<br />

der Wissenschaft, dem subjektives Meinen gegenübergestellt<br />

wird. Die Problematik, mit der Studierende hier konfrontiert sind, liegt<br />

nicht immer in ihrer Unfähigkeit, „subjektiv“ und „objektiv“ zu differenzieren,<br />

sondern oftmals darin, mit Studien bzw. Texten konfrontiert zu<br />

sein, die ihnen diese Differenzierung erschweren, weil in ihnen subjektive<br />

Anschauungen oder Meinungen als objektiv gültig ausgegeben werden.<br />

Davon ausgehend wundern sich Studierende, dass es bei ihren eigenen<br />

Texten nicht ausreicht, subjektive Meinungen zu formulieren. Klarheit in<br />

diese Thematik zu bringen beginnt bereits bei der Erörterung der Frage,<br />

ob das Wort „Ich“ in einem wissenschaftlichen Text formuliert werden<br />

darf oder ob die Formulierung, „der Autor/die Autorin meint …“ wissenschaftlich<br />

korrekt ist oder nicht.<br />

Unsicherheit bekunden Studierende immer wieder auch hinsichtlich<br />

eigener Positionierung und Beurteilung, d.h. sie wissen oftmals nicht, ob<br />

– und wenn ja, an welcher Stelle der Arbeit – sie ihre eigene Auffassung<br />

einbringen sollen und in welcher Form das den Kriterien wissenschaft-<br />

kissling_korr.1.indd 178 14.09.2006 11:10:00 Uhr

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