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„Wau!“, „Interessant“, „Darüber würde ich gerne mehr lesen, bitte genauer<br />

ausführen!“, „Unklar, wie ist das gemeint?“ Am Ende des Papers findet die<br />

Studentin einen ca. halbseitigen Kommentar über These, Argumentation,<br />

Stärken und Probleme des Textes, Auslassungen, Möglichkeiten zur Verbesserung.<br />

Endlich einmal ein Feedback auf einen mühsam fabrizierten<br />

wissenschaftlichen Text! Welche Freude, welche Lernmöglichkeit! Wie<br />

sollen Studierende in Österreich lernen, besser zu schreiben, wenn ihnen<br />

kaum jemals wer sagt, wie sie ihre Texte verbessern können? Wie sollen<br />

sie ihre ständige Angst, nicht gut genug zu sein, ablegen, wenn ihnen niemand<br />

sagt, worin sie schon gut sind? Wichtig am amerikanischen Ansatz<br />

ist: Alle Studenten eines Seminars lesen die gleichen Bücher (Leseliste mit<br />

genauen Terminen, was bis wann zu lesen ist). Die Texte werden im Seminar<br />

besprochen, bilden gleichsam die Grundstruktur des Seminars. Zweitens,<br />

viele KollegInnen schreiben ihr Paper zur gleichen Ausgangsfrage.<br />

Was bringt das? Einerseits kennen die Studierenden das Material schon<br />

gut, wenn sie darüber schreiben, denn es wurde gemeinsam durchgearbeitet<br />

und diskutiert. Andererseits können sich die Studierenden gegenseitig<br />

austauschen, während sie die Papers schreiben. Jeder hat (und sucht) eine<br />

andere Zugangsweise bzw. These zu einer Frage, die es gut zu argumentieren<br />

gilt. Später ist es interessant zu lesen, wie andere dasselbe Thema angegangen<br />

sind. Schreiben und Denken in einer Community of Writers – das<br />

hilft gegen die Überforderung des Anfängers und regt die Schreibprozesse<br />

des Fortgeschrittenen an. Deshalb heißt das Lehrbuch zum akademischen<br />

Schreiben von Peter Elbow auch A Community of Writers (Elbow 1995).<br />

2. Beobachtungen in Wien<br />

Zurück in Wien, schrieb ich meine Diplomarbeit. Die vielen in Kalifornien<br />

geschriebenen Papers und das Feedback hatten mir Übung, Know-how<br />

und Selbstvertrauen gegeben. Doch während ich munter vor mich hinschrieb,<br />

sogar Spaß daran hatte (Gott bewahre!), beobachtete ich, wie viele<br />

meiner Bekannten, Freunde und Freundinnen sich quälten, das Schreiben<br />

endlos aufschoben, zum Teil aufgaben. Das Erleben des amerikanischen<br />

Zugangs zum akademischen Schreiben ließ mir die Schreibsituation an<br />

österreichischen Universitäten als höchst problematisch erscheinen. Was<br />

in Bezug auf das Schreibenlernen falsch gemacht werden kann, wurde<br />

m.E. falsch gemacht. Seminararbeiten, abzugeben am Ende des Semesters<br />

(oder später oder nie…), bekam ich in meiner Wiener Studienzeit stets<br />

kommentarlos zurück. Eine einzige, umfangreiche schriftliche Arbeit<br />

pro Seminar ohne konkrete Fragestellung, Unterstützung und Feedback<br />

– das sind Killer für Schreibanfänger. Die meisten Studierenden gehen<br />

unter in der endlosen Literatur, die sie zu ihrem – meist auch noch selbst<br />

gestellten, d.h. zumeist nicht sinnvoll eingeschränkten – Thema finden.<br />

Das Themenfeld erweist sich als immer weiter und weiter, und man weiß<br />

nicht, wo mit der Einschränkung zu beginnen ist. Die Studierenden sam-<br />

kissling_korr.1.indd 60 14.09.2006 11:09:23 Uhr

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