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linguistische

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wesentlich verbessert hat. Deutlich erkennbare Adressaten erleichtern<br />

wie deutlich erkennbare Textsorten die Schreibaufgabe. Deutlichkeit<br />

der Modelle und Situationen bis hin zur Überprägnanz –<br />

darauf sollte fast jedes didaktische Prinzip zielen.<br />

(10) Satz-für-Satz-Produktion. Die Texte gehen unmittelbar aus der<br />

Ad-hoc-Produktion hervor. Das auffälligste Merkmal des Spontanschreibens<br />

ist der Produktionsmodus. Das spontane Schreiben im<br />

Medium der Alltagssprache vollzieht sich im Satz-für-Satz-Rhythmus<br />

der gesprochenen Sprache. Die (relativ autonomen) Produktionseinheiten<br />

sind bestimmte Sprechakte und Sätze. Die Zeitspanne<br />

zwischen Reflexion (meist: Idee für einen Satz) und Niederschrift<br />

ist so kurz, dass der Eindruck der Parallelführung von gedanklicher<br />

und (meist satzweiser) Formulierungsarbeit entsteht. Reflexion und<br />

Ausführung sind (fast) noch in einem Akt vereinigt.<br />

Im Fokus der schreiberischen Aktivität steht also die Satz-für-Satz-<br />

Produktion. Die Aufmerksamkeit des Schreibers ist punktuell ausgerichtet<br />

– auf wenige Elemente und sie hat eine geringe Reichweite.<br />

So gelingt es, das Ausmaß der zu bearbeitenden Komplexität gering<br />

zu halten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Schreiberin stehen<br />

drei Faktoren: das Generalthema des Textes, die schon geschriebenen<br />

Sätze (oft nur der zuletzt niedergeschriebene) sowie der gerade<br />

zu schreibende. Der gerade niedergeschriebene Satz und das Generalthema<br />

sind die beiden Hauptstimuli für die Idee für den nächsten<br />

Satz. Die erste Geige spielt dabei das soeben Niedergeschriebene.<br />

Aus ihm kommt der Anschub für die Fortsetzung. Man kann das<br />

Spontanschreiben deshalb auch als Schreiben nach dem Anschubprinzip<br />

bezeichnen. Die Analogie zum Bewegungsverhalten ist<br />

unübersehbar: „Die Bewegung beim Vorwärtsgehen“, lese ich in der<br />

„Weltwoche“ (1/2004, 45) „besteht zu neunzig Prozent aus Schwung-<br />

Mitnehmen vom letzten Schritt, ist also passiv und ungesteuert …“<br />

Die Produktion erfolgt linear und ad hoc, d.h., so wie die Sätze und<br />

Inhalte generiert werden, so erscheinen sie auch im Text. Da gibt es<br />

keine Umstellungen (nur Spontankorrekturen) und keine Vorausplanung<br />

von nennenswerter Reichweite (d.h.: über die Grenzen der<br />

unmittelbaren Anschlusssätze hinaus); eine Vor- oder Weiter-Verarbeitung<br />

(Elaboration) der Inhalte außerhalb der entstehenden<br />

Satzkette findet nicht statt (eine solche Elaboration wäre die Gliederung,<br />

eine andere die Stoffbearbeitung in der Stoffsammlung –<br />

z.B. durch Beschlagwortung, Kommentierung, Themensätze). Der<br />

Motor für die Fortsetzung sind Ad-hoc-Assoziationen. Sie sind die<br />

Hauptstimuli, sie bewirken die Selbststimulation des Denkens aus<br />

der Niederschrift heraus. Wie im Gespräch herrschen die Assoziationen<br />

vor, die sich aus dem gerade Geschriebenen, vor allem<br />

aus dem zuletzt Geschriebenen ergeben. Aus der Luke des gerade<br />

geschriebenen Satzes kommt der Anschlusssatz – auf diese Weise<br />

entsteht die Spontanlinearität.<br />

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