Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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2.4 Arnold Schonbergs Frühwerk<br />
Arnold Schönberg war einer jener Komponisten, die in ihrer Musik die Dur-Moll-<br />
<strong>Tonalität</strong> an ihre Grenzen trieben <strong>und</strong> sich in letzter Konsequenz von ihr loslösten. 274<br />
Als Schönberg sich 1894 mit den Kompositionen Richard Wagners <strong>und</strong> Franz Liszts<br />
vertraut machte, hatte sich die harmonische Syntax der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> bereits<br />
zusehends von der Zentrierung auf einen einzelnen Zentralklang entfernt. Der hohe<br />
Grad chromatischer Stimmführung, die überschäumende Alterationstechnik sowie der<br />
Einsatz von symmetrischen Akkorden <strong>und</strong> äquidistanten Harmoniefolgen führten dazu,<br />
dass die Tonika nicht mehr im selben Maße die wichtige Funktion der formalen Gliederung<br />
ausüben konnte wie zuvor. Diese Entwicklung wurde auch durch die zunehmende<br />
Emanzipation der Dissonanz verstärkt. Dissonante Vielklänge, die nun auch als harmonische<br />
Ruhepunkte Verwendung fanden, stellten die Funktion der Tonika immer mehr<br />
in Frage. 275<br />
Schönberg war sich der Problematik bewusst <strong>und</strong> es hat den Anschein, dass er in seinen<br />
frühen Werken gezielt versuchte dieser Tendenz entgegenzuwirken. Die Tonika wurde<br />
von ihm in Form von Dur- <strong>und</strong> Moll-Dreiklängen in besonderer Weise akzentuiert, um<br />
so im formalen Verlauf „durch eine gewisse Einheitlichkeit eine gewisse Geschlossenheit<br />
zu erzielen“ 276 . Hans Redlich schrieb über Schönbergs <strong>Tonalität</strong>:<br />
Vergleicht man die Werke seiner ersten Periode mit gleichzeitig entstandenen Werken etwa von<br />
Strauß, Reger oder Pfitzner, so fällt vor allem bei Schönberg das starke Gravitieren zum F<strong>und</strong>amentalton,<br />
die ausgesprochene <strong>Tonalität</strong>sfarbe […] auf […]. […]<br />
Das Klangspiel in Es zu Anfang der Gurrelieder, das hartnäckige Zurückstreben zum d-Moll des<br />
Anfangs im d-Moll Quartett, das eigensinnige lydische E-Dur der Kammersymphonie welches<br />
das Werk wie eine Eisenklammer in allen Teilen zusammenhält – wo gibt es bei einem anderen<br />
Meister ähnliche Stellen, ja Werke von solcher tonaler Eindeutigkeit, von solcher Überbetonung<br />
der f<strong>und</strong>amentalen Gr<strong>und</strong>stimmung? 277<br />
274<br />
Dazu ist allerdings anzumerken, dass Schönberg in einigen seiner späten Werke, wie beispielsweise<br />
der zweiten Kammersymphonie op. 38 wieder zur <strong>Tonalität</strong> zurückkehrte <strong>und</strong> dabei einige Techniken<br />
der Zwölftonkomposition auch auf tonale Musik anwandte.<br />
275<br />
Vgl. auch Catherine Dale, Schoenbergs Chamber Symphonies: the crystallization and redescovery of<br />
a style, Aldershot: Ashgate 2000, S. 1.<br />
276<br />
Schönberg, Harmonielehre, S. 27.<br />
277<br />
Hans Friedrich Redlich, Schönbergs <strong>Tonalität</strong>, in: Anrnold Schönberg <strong>und</strong> seine Orchesterwerke,<br />
Wien: Universal Edition 1927, S. 22-24, hier S. 22f.<br />
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