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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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1.5 Riemann <strong>und</strong> Schenker<br />

Die Thesen von Hauptmann, Helmholtz <strong>und</strong> Oettingen wurden schließlich in den<br />

1880er Jahren von Hugo Riemann aufgegriffen <strong>und</strong> erweitert. 130 Riemann war von der<br />

Naturgegebenheit der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> im Sinne der Naturklangtheorie fest überzeugt<br />

<strong>und</strong> postulierte – gemäß den Theorien Oettingens – eine Untertonreihe als dualistischen<br />

Gegensatz zur Obertonreihe. 131 Von Hauptmann übernahm Riemann die Vorstellung,<br />

dass Terz <strong>und</strong> Quint die einzigen direkt verständlichen Intervalle seien. 132 Die große<br />

Leistung Riemanns war es, die harmonischen Theorien des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in einem<br />

geschlossenen musiktheoretischen System – der Funktionstheorie – zusammenzufassen.<br />

Damit machte Riemann, insbesondere im deutschsprachigen Raum, den <strong>Tonalität</strong>sbegriff<br />

einem größeren musiktheoretisch interessierten Publikum zugänglich.<br />

Zum ersten Mal verwendet Riemann den Begriff <strong>Tonalität</strong> in dem 1872 noch unter dem<br />

Pseudonym Hugibert Ries veröffentlichen Aufsatz Ueber <strong>Tonalität</strong> 133 <strong>und</strong> wendet den<br />

Begriff damals noch ausschließlich auf Tonbeziehungen an. Drei wesentliche Aspekte<br />

für Riemanns <strong>Tonalität</strong>sauffassung sind in diesem Aufsatz aber bereits deutlich erkennbar:<br />

(1) <strong>Tonalität</strong> entsteht erst durch eine Folge von mehreren Tönen. (2) <strong>Tonalität</strong> hängt<br />

wesentlich von unserer Wahrnehmung 134 <strong>und</strong> unserem Gedächtnis ab. 135 (3) Jede<br />

Aufeinanderfolge von Tönen bezieht sich auf einen Zentralton, ein Zentrum:<br />

Aristoxanes sagt: beim Anhören von Musik ist unsere Geistesthätigkeit eine doppelte, Wahrnehmung<br />

<strong>und</strong> Gedächtnis. Wahrnehmung nämlich des eben Ertönenden <strong>und</strong> Gedächtnis des<br />

Vorausgegangenen. In diesen Worten liegt das Geheimnis der <strong>Tonalität</strong>. Der Zweite Ton folgt<br />

nicht als ein anderer, dem ersten fremder, nicht am Hören des einzelnen Tones erfreuen wir uns<br />

130<br />

Riemann bezeichnete Rameau, Hauptmann, Helmholtz <strong>und</strong> Oettingen als die vier „großen Harmoniker“<br />

der Musikgeschichte (vgl. Hugo Riemann, Musikalische Logik [als Dissertation: Ueber das<br />

musikalische Hören, Leipzig 1874], Leipzig: C. F. Kahnt 1875, S. 4-6).<br />

131<br />

Vgl. ebda., S. 12f, 25.<br />

132<br />

Vgl. Dahlhaus, Untersuchungen, S. 10.<br />

133<br />

Vgl. Beiche, <strong>Tonalität</strong>, S. 9.<br />

134<br />

Der Begriff Wahrnehmung darf in diesem Zusammenhang nicht mit der akustischen Realität verwechselt<br />

werden. Riemann selbst hat die Tonika, unabhängig von der akustischen Realität, auch als „etwas<br />

Vorgestelltes, Imaginäres“ gedacht. Es handelt sich bei der Tonika gewissermaßen um eine psychische<br />

„Realität“ (vgl. auch Hans-Ulrich Fuß, Funktion, in: Lexikon der systematischen Musikwissenschaft<br />

[Handbuch der systematischen Musikwissenschaft Bd. 6], Laaber: Laaber 2010, S. 127-129,<br />

hier S. 128).<br />

135<br />

Vgl. auch Riemann, Musikalische Logik, S. 64: „<strong>Tonalität</strong> ist […] Festhalten eines Tones im<br />

Gedächtniss als Hauptton (Tonus).“<br />

33

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