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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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spielsweise den harmonischen Verlauf von Johann Sebastian Bachs bekanntem Präludium<br />

in C-Dur BWV 846, welches wohl als ein Paradebeispiel tonaler Musik angesehen<br />

werden kann, so wird dort der Dominante ebenso viel Platz eingeräumt wie der<br />

Tonika. Einerseits übernimmt die Dominante die Rolle einer temporären Tonika in den<br />

Takten 5-13, andererseits wird der Dominantseptakkord in den Takten 24-31 über einem<br />

Dominant-Orgelpunkt auskomponiert. Auch die aus harmonischer Sicht ungewöhnlichste<br />

Stelle des Präludiums exponiert die Dominante: In den Takten 22-23 (Abbildung<br />

33) umspielen zwei verminderte Septakkorde (Fis- <strong>und</strong> As-Vermindert) den Gr<strong>und</strong>ton<br />

der Dominante (Fis–As–G) <strong>und</strong> leiten so den Dominant-Orgelpunkt der folgenden<br />

Takte ein.<br />

Abbildung 33: J. S. Bach, Präludium in C-Dur BWV 846, T. 22-24.<br />

Wie die Tonika erfüllt auch die Dominante zwei primäre musikalische Funktionen: (1)<br />

Sie erzeugt harmonische Spannung, die in der Auflösung zur Tonika als Lösung empf<strong>und</strong>en<br />

wird. (2) Sie dient ebenfalls der formalen Gliederung. Ausgedehnte Orgelpunkte<br />

oder Auftaktakkorde kündigen beispielsweise oft die Rückkehr zum Thema bzw. zur<br />

„Haupttonart“ an.<br />

Auch in den meisten dualistischen Interpretationen ist jedoch eine eindeutige Hierarchisierung<br />

der <strong>Klangzentren</strong> zugunsten der Tonika vorhanden. Besonders deutlich tritt<br />

diese Hierarchie in den dialektischen Theorien Moritz Hauptmanns zutage. Dominante<br />

<strong>und</strong> Subdominante treten dort als Antithese dem Zentralklang der Tonika gegenüber<br />

<strong>und</strong> erfüllen erst in der Synthese mit der Tonika ihre endgültige Bestimmung. Diese<br />

Hierarchisierung entspricht auch in vielen Werken des 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts der<br />

musikalischen Realität, sowohl auf mikroformaler, als auch auf makroformaler Ebene.<br />

Nicht zuletzt prägt das abstrakte Schema der Sonatensatzform, eben diese Hierarchisierung<br />

deutlich aus. Dem gegenüber zeigt die Entwicklung der Harmonik des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert jedoch eine deutliche Tendenz, dass diese Hierarchisierung mehr <strong>und</strong> mehr<br />

aufgebrochen wurde <strong>und</strong> damit andere Klänge neben der Tonika an Bedeutung gewannen.<br />

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