Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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tischen Menge zusammengefasst <strong>und</strong> in ihre „Gr<strong>und</strong>form“ (prime form) gebracht, die<br />
anschließend gemäß ihrer Intervallstruktur zur Bezeichnung der Tonmenge dient. Ein<br />
Dreiklang (sowohl Dur als auch Moll) lautet in der prime form beispielsweise „037“<br />
(von Forte auch als „3-11“ bezeichnet). Die Zahlen beziehen sich dabei auf die – von<br />
der Ziffer Null aus gerechneten – Intervalle der kleinen Terz (3) <strong>und</strong> der reinen Quint<br />
(7). Damit erzeugte Forte einerseits einen Quasi-Standard für die Abbildung von Tonmengen<br />
in Computern mittels der Zahlen null bis elf, andererseits verzichtet die set<br />
theory auch auf enharmonische Verwechslungen <strong>und</strong> stellt damit eine allgemeine<br />
Terminologie für die abstrakte Kommunikation von Klängen zur Verfügung. 188 Die<br />
pitch class Analyse ermöglichte insbesondere neue Einblicke in die Klangorganisation<br />
post-tonaler Musik, Forte wendet sie jedoch gelegentlich auch auf Analysen spättonaler<br />
Musik, wie z.B. Werke von Franz Liszt, an. 189<br />
Auch statistische Methoden wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts immer<br />
häufiger für die musikalische Analyse herangezogen. Der Komponist Raymond Wilding-White<br />
geht 1961 sogar so weit in einem Artikel „Tonikalität“ 190 als ein (mathematisches)<br />
Verfahren anzusehen: „it is a measure of bias and represents the relative importance<br />
given to each of the subsets contained in a given set.“ 191 Die Tonika einer <strong>Tonalität</strong><br />
wäre damit der „relativ bedeutendste“ Akkord oder Ton innerhalb einer Menge von<br />
Akkorden oder Tönen.<br />
Seit den letzten 15 Jahren gewann mit der Neo-Riemann-Theorie auch eine Neuinterpretationen<br />
der Funktionstheorie Riemanns zunehmend an Bedeutung. Die Neo-<br />
Riemann-Theorie verbindet zeitgenössische Strömungen wie set theory <strong>und</strong> Berechenbarkeitstheorie<br />
mit musiktheoretischen Erkenntnissen des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> steht<br />
dabei auch der Kognitionswissenschaft sowie der Sprachwissenschaft – namentlich<br />
Noam Chomskys Transformationstheorie 192 – nahe.<br />
188<br />
Vgl. Allen Forte, A Theory of Set-Complexes for Music, in: Journal of Music Theory (Bd. 8,2), 1964,<br />
S. 136-139, 141, 140, 142-183.<br />
189<br />
Vgl. Allen Forte, Liszt’s Experimental Idiom and Music of the Early Twentieth Century, in: 19th-<br />
Century Music (Bd. 10,3), 1987, S. 209-228.<br />
190<br />
Der Begriff „Tonikalität“ geht auf Rudolph Reti zurück <strong>und</strong> hebt die Bedeutung des Gr<strong>und</strong>- oder<br />
Zentraltons der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> hervor (vgl. Dahlhaus, <strong>Tonalität</strong>, S. 623).<br />
191<br />
Raymond Wilding-White, Tonality and Scale Theory, in: Journal of Music Theory (Bd. 5,2), 1961, S.<br />
275-286, hier S. 280.<br />
192<br />
Vgl. Noam Chomsky, Syntactic Structures [1957], Berlin, New York: Mouton de Gruyter 2002.<br />
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