Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> über weite Strecken außer Kraft <strong>und</strong> weist auf neue <strong>und</strong> ungenutzte<br />
Möglichkeiten tonaler Beziehungen hin. 160 Programmatisch wirkt in diesem Zusammenhang<br />
der Titel von Liszts Klavierstück Bagatelle ohne Tonart aus dem Jahre<br />
1885. Auch wenn Richard Wagner selbst die späten Werke seines Schwiegervaters zum<br />
Teil als Senilitätserscheinung 161 abgetan hat, sind sie doch Zeugnis der neuen Aufbruchstimmung,<br />
die sich damals ausgebreitet hatte.<br />
Arnold Schönberg war zu dieser Zeit gerade zehn Jahre alt <strong>und</strong> komponierte bereits<br />
seine ersten Jugendkompositionen, noch weitgehend unbeeinflusst von den harmonischen<br />
Neuerungen der Zeitgenossen. Dies änderte sich jedoch rasch, nachdem er 1894<br />
Alexander von Zemlinsky kennen gelernt hatte, der ihn mit den Kompositionen Richard<br />
Wagners <strong>und</strong> Franz Liszts vertraut machte.<br />
Als ich ihn kennenlernte war ich ausschließlich Brahmsianer. Er liebte Brahms <strong>und</strong> Wagner gleichermaßen,<br />
wodurch ich bald darauf ebenfalls ein glühender Anhänger beider wurde. Kein<br />
W<strong>und</strong>er, daß die Musik dieser Zeit deutlich die Einflüsse dieser beiden Meister zeigte, mit einem<br />
gelegentlichen Zusatz von Liszt, Bruckner <strong>und</strong> vielleicht auch Hugo Wolf. 162<br />
Über Schönbergs Auffassung von <strong>Tonalität</strong> wurde bereits viel spekuliert. So schreibt<br />
zum Beispiel Lukas Haselböck, dass „Schönberg [...] als einzige Voraussetzung für<br />
‚<strong>Tonalität</strong>‘ das Vorhandensein sinnvoller Tonbeziehungen genannt hat.“ 163 Dieter<br />
Rexroth ist derselben Auffassung <strong>und</strong> führt aus, dass „Schönberg [...] unter ‚tonal‘ ganz<br />
allgemein eine Beziehung [versteht].“ 164 Auf der anderen Seite weist Martin Eybl darauf<br />
hin, dass Schönberg den Begriff „<strong>Tonalität</strong>“ durchaus in unterschiedlichen Bedeutungen<br />
gebraucht hat:<br />
Demgegenüber bezeichnen einige Autoren des frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>erts (Guido Adler, Arnold<br />
Schönberg) mit <strong>Tonalität</strong> die Beziehungen zwischen Tönen im Allgemeinen. Das Fehlen eines<br />
160<br />
Vgl. Dieter Kleinrath, Kompositionstechniken im Klavierwerk Franz Liszts. Eine Gegenüberstellung<br />
kompositorischer Verfahren im Früh- <strong>und</strong> Spätwerk unter besonderer Berücksichtigung des Klavierstücks<br />
Funérailles, Kunstuniversität Graz 2007, S. 10-19.<br />
161<br />
Cosima Wagner, Die Tagebücher (Bd. 2), München: Piper 1976, S. 1059. (29. November 1882).<br />
162<br />
Arnold Schönberg, Rückblick, 1949, S. 434.<br />
163<br />
Lukas Haselböck, Zwölftonmusik <strong>und</strong> <strong>Tonalität</strong>. Zur Vieldeutigkeit dodekaphoner Harmonik, Laaber:<br />
Laaber 2005, S. 17.<br />
164<br />
Dieter Rexroth: Arnold Schönberg als Theoretiker der tonalen Harmonik, Bonn 1971, S. 386.<br />
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