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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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1.7 Der <strong>Tonalität</strong>sbegriff im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Zum Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>ert hatte sich die Bedeutung des <strong>Tonalität</strong>sbegriffs im<br />

deutschsprachigen Raum zunehmend gefestigt <strong>und</strong> wurde von Helmholtz <strong>und</strong> Riemann<br />

auf die musikalische Syntax der europäischen Kunstmusik reduziert. Das wesentliche<br />

Merkmal der Definition ist von nun an der Zentralklang – die Tonika – auf den sich alle<br />

anderen Töne <strong>und</strong> Akkorde beziehen. Die besondere Bedeutung des Zentralklanges<br />

führte dazu, dass einige Autoren Metaphern für den Begriff der Tonika einführten, wie<br />

zum Beispiel „Konzentrationston“, „Gravitationszentrum“, „Kraftzentrum“ oder<br />

„Brennpunkt“ („focal point“). Zugleich wird <strong>Tonalität</strong> nun immer häufiger mit hörpsychologischen<br />

Aspekten in Verbindung gebracht wie beispielsweise von Jacques<br />

Chailley, der <strong>Tonalität</strong> als eine „musikalische Wahrnehmungsart“ bezeichnet. 178 Seit<br />

den 1920er Jahren gewinnt „<strong>Tonalität</strong>“ auch als erweiterter Tonartbegriff, wie er von<br />

Riemann beschrieben wurde, zunehmend an Bedeutung. So schreibt Hermann Grabner<br />

in der Allgemeinen Musiklehre 1924: „Die Beziehungen der einzelnen Tonarten eines<br />

Stückes zur Haupttonart heißt <strong>Tonalität</strong>.“ 179<br />

Während die <strong>Musiktheorie</strong> um 1900 gerade noch dabei war den Begriff <strong>Tonalität</strong><br />

aufzuarbeiten <strong>und</strong> „die tonale Musik“ zu systematisieren, begannen Komponisten wie<br />

Franz Liszt, Arnold Schönberg oder Alexander Skrjabin die <strong>Tonalität</strong> in Frage zu stellen<br />

<strong>und</strong> sich neuen musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zuzuwenden <strong>und</strong> lösten mit dem<br />

darauf folgenden Stilpluralismus des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in gewisser Weise auch einen<br />

analogen Systempluralismus in der <strong>Musiktheorie</strong> aus. Musiktheoretiker waren im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert zunehmend gezwungen ihre Theorien den neuen Gegebenheiten der zeitgenössischen<br />

Kompositionspraxis anzupassen <strong>und</strong> es scheint, als hätte man sich zumeist<br />

damit abgef<strong>und</strong>en gehabt, dass <strong>Tonalität</strong>, mit ihren reichhaltigen Facetten, eine historische<br />

Erscheinung war, die im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert nur mehr in Popularmusik oder verwandten<br />

Genres eine Gültigkeit besäße. Bestenfalls wird bei Diskussionen um die<br />

Musik des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts vorsichtig der Begriff „post-tonal“ angewendet, um damit<br />

auszudrücken, dass tonale Elemente auch in späteren Werken der Kunstmusik noch<br />

teilweise aufgegriffen wurden oder weiterwirken. Diese Entwicklung wurde insbeson-<br />

178 Vgl. Beiche, <strong>Tonalität</strong>, S. 10-11.<br />

179 Hermann Grabner, zit. nach Beiche, <strong>Tonalität</strong>, S. 11.<br />

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