Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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führung sowie „vagierende“ <strong>und</strong> äquidistante Akkorde führen jedoch zwangsläufig zu<br />
einer harmonischen Syntax, die diese Hierarchie aufbricht <strong>und</strong> anderen <strong>Klangzentren</strong><br />
eine größere Bedeutung zukommen lässt. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass<br />
mehrere <strong>Klangzentren</strong> eine annähernd gleiche Bedeutung erlangen. Im Spezialfall<br />
könnte dies theoretisch soweit führen, dass alle Klänge die gleiche Bedeutung haben<br />
<strong>und</strong> eine Zentrierung der Harmonik – <strong>und</strong> damit ihre harmonische Gestalt – nicht mehr<br />
gegeben ist; der Begriff des Klangzentrums würde in diesem Fall bedeutungslos<br />
werden. Ob jedoch eine Harmonik, in der jeder Klang dieselbe Bedeutung bzw. Funktion<br />
hat, auch praktisch umgesetzt werden kann, ist zu bezweifeln.<br />
So gesehen existiert die Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> nicht. Statt dessen gibt es selbst in einzelnen<br />
Werken eine Vielzahl unterschiedlicher <strong>Tonalität</strong>en, die sich aus der relativen<br />
Bedeutung der vorhandenen Klangbeziehungen ergeben. Diese Klangbeziehungen<br />
entstehen dabei sowohl in der direkten Aufeinanderfolge der einzelnen Klänge als auch<br />
in ihrer Bezogenheit auf ein oder mehrere <strong>Klangzentren</strong>. Es ist jedoch möglich bestimmte<br />
Tendenzen in der harmonischen Hierarchie aufzudecken, um so Gemeinsamkeiten<br />
<strong>und</strong> Unterschiede der zugr<strong>und</strong>e liegenden <strong>Tonalität</strong>en zu kommunizieren.<br />
Die Frage in wie weit der Begriff des Klangzentrums in der Musik des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
als ein Weiterdenken dur-moll-tonaler Prinzipien gelten kann ist nicht nur eine Frage<br />
der Terminologie, sondern auch unseres historischen Selbstverständnisses <strong>und</strong> unserer<br />
Wahrnehmung. Es gilt zu beantworten, welche musikalischen Parameter tatsächlich mit<br />
der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> „verloren“ gegangen sind <strong>und</strong> welche Parameter lediglich eine<br />
Entwicklung durchgemacht haben. Schließlich gilt es zu beantworten ob wir komplexe<br />
<strong>Klangzentren</strong> der neuen Musik wie dissonante Vielklänge in ähnlicher Weise als Ruhepunkte<br />
akzeptieren können wie die Tonika der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong>. Dass auch in atonaler<br />
<strong>und</strong> post-tonaler Musik <strong>Klangzentren</strong> als formbildende Kompositionstechniken<br />
Verwendung fanden, wurde an den Beispielen von Schönberg <strong>und</strong> Skrjabin gezeigt. Ob<br />
diese Klänge jedoch auch hörpsychologisch mit der Wirkung einer Tonika verglichen<br />
werden können, bleibt vorerst offen. Sicher scheint allerdings bereits zu sein, dass die<br />
Antwort auf diese Frage nicht ausschließlich von unserer Hörphysiologie abhängt,<br />
sondern auch von unserem Gedächtnis, unserer musikalischen Erfahrung <strong>und</strong> unserem<br />
sozialen Umfeld. Ob Zwölftonmusik eine <strong>Tonalität</strong> ausbildet, kann im Allgemeinen<br />
nicht beantwortet, sondern müsste am konkreten Beispiel immer neu hinterfragt werden.<br />
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