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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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Tonika als Dur- oder Moll-Dreiklang also nicht nur in Bezug auf die musikalische<br />

Struktur fest, sondern man macht gleichzeitig auch eine Aussage über die hörpsychologischen<br />

Erwartungen des Rezipienten. Dabei erfüllt die Tonika vor allem zwei relevante<br />

musikalische Funktionen: (1) Sie bezeichnet einen harmonischen Ruhepunkt; die<br />

Fortschreitung zur Tonika im Rahmen einer Kadenz wird als Auflösung wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> führt zu einer Entspannung des harmonischen Verlaufs. (2) Sie dient der<br />

formalen Gliederung. Das Erreichen der Tonika erzeugt ein Gefühl der Abgeschlossenheit<br />

<strong>und</strong> ermöglicht damit das Anschließen eines neuen musikalischen Gedankens oder<br />

aber das Beenden des Stückes.<br />

Einem ausschließlich monozentrischen <strong>Tonalität</strong>sbegriff stünde die dualistische Vorstellung<br />

gegenüber, dass sich <strong>Tonalität</strong> nicht nur über die Tonika, sondern auch über die<br />

Dominante definiert. Selbst Riemann <strong>und</strong> Schenker, die beide der Tonika eine tragende<br />

Rolle zukommen ließen, kamen nicht ohne das Miteinbeziehen der Dominante oder der<br />

Subdominante aus. Die Tonika definiert sich allein über das Vorhandensein von<br />

harmonischen Beziehungen zu anderen Tönen oder Akkorden. Schon Choron <strong>und</strong> Fétis<br />

räumten in ihren Definitionen des <strong>Tonalität</strong>sbegriffs der Dominante tendenziell einen<br />

größeren Stellenwert ein als der Tonika <strong>und</strong> auch bei den Theorien von Vogler <strong>und</strong><br />

Weber wird die Kadenz – <strong>und</strong> damit das Wechselspiel zwischen Tonika <strong>und</strong> Dominante<br />

– als wesentliches Merkmal einer Tonart angegeben (vgl. S. 16-18). Ernst Krenek<br />

schrieb 1937 über die Bedeutung der Dominant-Tonika-Beziehung:<br />

Was die Atonalität wesentlich von der <strong>Tonalität</strong> unterscheidet, ist die Dominantwirkung, die<br />

diese besitzt, die jener fehlt;<br />

Die Konstituierung unserer <strong>Tonalität</strong> wird bewirkt durch die Orientierung eines ganzen großen<br />

musikalischen Verlaufs, eines Werkes, nach einer einzigen Dominant-Tonika-Beziehung, eben<br />

jener, die die „Haupttonart“ des Werkes repräsentiert. 252<br />

Aus dieser Sicht erscheint es sinnvoller das Klangzentrum der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> als<br />

ein Konglomerat von Dominante <strong>und</strong> Tonika aufzufassen, die Vorstellung eines einzigen<br />

Klangzentrums also zu verwerfen <strong>und</strong> die Dominante als Klangzentrum der<br />

Tonika gegenüberzustellen. Dass die Dominante über weite Strecken ein eigenständiges<br />

Zentrum ausbildet, kann schon im Barock beobachtet werden. Betrachtet man bei-<br />

252 Ernst Krenek, Über neue Musik [Wien 1937], zit. nach: Beiche <strong>Tonalität</strong>, S. 11.<br />

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