Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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In den 1960er Jahren griff Carl Dahlhaus in seiner Habilitationsschrift Untersuchungen<br />
über die Entstehung der harmonischen <strong>Tonalität</strong> den <strong>Tonalität</strong>sbegriff erneut auf.<br />
Dahlhaus versuchte darin weniger die bestehenden systematischen Aspekte im Zusammenhang<br />
mit dem Begriff zu erweitern, als vielmehr „die Entstehung der harmonischen<br />
<strong>Tonalität</strong> in der Mehrstimmigkeit des 16. <strong>und</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts“ zu untersuchen.<br />
184 Ausgangspunkt dieser Untersuchungen war dabei Fétis’ historischer <strong>Tonalität</strong>sbegriff<br />
<strong>und</strong> dessen Einteilung der Musikgeschichte in unterschiedliche Epochen,<br />
basierend auf der jeweiligen harmonischen Syntax. Dahlhaus stellt fest, dass „<strong>Tonalität</strong><br />
außer einer systematischen auch eine historische Kategorie ist. Die <strong>Tonalität</strong> des 16. <strong>und</strong><br />
die des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts sind Stufen einer zusammengehörigen Entwicklung.“ 185 Den<br />
Begriff „harmonische <strong>Tonalität</strong>“ verwendet Dahlhaus dabei „synonym mit Riemanns<br />
‚<strong>Tonalität</strong>‘ <strong>und</strong> Fétis’ ‚tonalité moderne‘“ 186 . Der harmonischen <strong>Tonalität</strong> stellt<br />
Dahlhaus den Begriff der „melodischen <strong>Tonalität</strong>“ gegenüber, „die der harmonischen –<br />
durch Akkorde f<strong>und</strong>ierten – des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts vorausging“.<br />
Die rasante Entwicklung von Computertechnologien <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>ene Aufschwung<br />
der Naturwissenschaften seit den 1950er Jahren wirkte sich auch nachhaltig<br />
auf die <strong>Musiktheorie</strong> aus. Schlüsselwörter wie „Berechenbarkeit“ („computability“) <strong>und</strong><br />
„Interdisziplinarität“ sind seither in allen Wissenschaftsbereichen an der Tagesordnung<br />
<strong>und</strong> werden oft sogar als ein „Qualitätsmerkmal“ neuer Theorien angesehen. Vor allem<br />
in den USA werden Forschungsgelder oft nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> der Möglichkeit einer<br />
Software-Implementierung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen wirtschaftlichen Aussichten<br />
vergeben.<br />
Auch die Mathematik hatte in der Folge großen Einfluss auf musiktheoretische Untersuchungen.<br />
Die von Milton Babbit 1946 <strong>und</strong> 1961 entwickelte pitch class set theory 187<br />
wurde von Allen Forte seit den 1960er Jahren als Analysewerkzeug für harmonische<br />
Zusammenhänge weiterentwickelt. Forte nutzt Erkenntnisse der mathematischen<br />
Mengenlehre <strong>und</strong> wendet diese auf Tonmengen (pitch sets) an. Eine Gruppe von Tönen,<br />
wie ein Akkord oder auch eine melodische Linie, wird von Forte in einer mathema-<br />
184<br />
Dahlhaus, Untersuchungen, S. 18.<br />
185<br />
Ebda.<br />
186<br />
Ebda.<br />
187<br />
Vgl. Stephan Lewandowski, Pitch Class Set, in: Lexikon der systematischen Musikwissenschaft<br />
(Handbuch der systematischen Musikwissenschaft Bd. 6), Laaber: Laaber 2010, S. 380-382, hier S.<br />
381.<br />
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