Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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1.9 Schlussfolgerungen<br />
Die Bedeutung des Begriffs <strong>Tonalität</strong> war im Laufe der Musikgeschichte einem ständigen<br />
Wandel unterzogen <strong>und</strong> es hat fast den Anschein, als ob man sich aus der Vielfalt<br />
der möglichen Bedeutungen jeweils jener bedienen könne, die der gerade gestellten<br />
Frage die treffende Antwort liefert. Selbst bei einzelnen Autoren, wie im Falle Schönbergs,<br />
ist die Verwendung des Begriffs nicht unbedingt eindeutig. In Anbetracht der<br />
unterschiedlichen Fragestellungen, die heute in der <strong>Musiktheorie</strong> verfolgt werden <strong>und</strong><br />
des unterschiedlichen Erkenntnisgewinnes, der daraus resultiert, scheint es wichtiger<br />
denn je einen exakten <strong>Tonalität</strong>sbegriff zu verwenden, der klar einschränkt, worüber<br />
man gerade spricht. Aussagen etwa über „die <strong>Tonalität</strong> der Zwölftonmusik“ sind bestenfalls<br />
mehrdeutig <strong>und</strong> können kaum falsifiziert werden, wenn der Begriff <strong>Tonalität</strong> nicht<br />
zuvor in einen eindeutigen Zusammenhang gebracht wurde. Wenn man den Begriff<br />
<strong>Tonalität</strong> zum Beispiel als die Beziehungen zwischen den Tönen einer Skala versteht,<br />
ist etwa die Dodekaphonie, die „Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen<br />
Tönen“, durchaus als ein tonaler Typ im Sinne Fétis’ zu verstehen. 246 Unter diesem<br />
Gesichtspunkt wäre auch die Aussage, dass sich die <strong>Tonalität</strong> mit dem Beginn der<br />
Atonalität aufgelöst hat ebenso irreführend, wie der Begriff „Atonalität“ selbst. Dass der<br />
unreflektierte Begriffsgebrauch zu Missverständnissen <strong>und</strong> einer dem Begriff unangemessenen<br />
Beliebigkeit führt, ist absehbar. Vielleicht wäre es der Sache heute sogar<br />
dienlicher, wenn man versuchte, <strong>Tonalität</strong> über das zu definieren, was sie, ihren zahlreichen<br />
Bedeutungsfacetten nach, nicht ist. Dann müsste es heißen:<br />
<strong>Tonalität</strong> ist die Antithese eines imaginären Begriffs (ich verwende hier bewusst<br />
nicht die Bezeichnung „Atonalität“), der sich auf Musik bezieht, bei der keinerlei<br />
Beziehungen zwischen den verwendeten Tönen besteht, weder im vertikalen<br />
Zusammenklang, noch im horizontalen Aufeinanderfolgen. Insbesondere ist<br />
diese Musik auch dadurch gekennzeichnet, dass keinerlei tonaler oder harmonischer<br />
Bezugspunkt als Zentralklang eine besondere Rolle einnimmt.<br />
Spätestens hier muss man allerdings fragen, was es überhaupt bedeutet, wenn sich Töne<br />
oder Akkorde „aufeinander beziehen“. So einfach diese Frage im ersten Moment auch<br />
scheint, so schwierig ist es, sie im konkreten Fall zu beantworten. Betrachtet man zum<br />
246 Vgl. Dahlhaus, <strong>Tonalität</strong>, S. 624.<br />
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