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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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„Technik der ostinaten Unterlage“ 212 <strong>und</strong> die „Zwölf-Töne-Musik“ an. 213 Es scheint<br />

offensichtlich, dass Erpf diese Techniken nur deshalb unter einem Satztypus zusammengefasst<br />

hat, da sie seiner Meinung nach eines gemeinsam haben: die resultierende<br />

Harmonik ist aus Sicht der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> nicht oder nur schwer erklärbar;<br />

selbst wenn man einen einzelnen Klang aus Sicht der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> deuten<br />

könnte, würde er im musikalischen Zusammenhang keine Funktion im Sinne Riemanns<br />

einnehmen. Aus dieser Sicht ist es überraschend, dass Erpf die Technik des Klangzentrums<br />

trotzdem mit den Begriffen der Riemannschen Funktionstheorie als einen „gewissen<br />

Wechsel Tonika-Nichttonika-Tonika“ beschreibt <strong>und</strong> damit impliziert, dass das<br />

Klangzentrum dieser Technik dieselbe musikalische Funktion besäße wie der Zentralklang<br />

der Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong>, die Tonika. Auch die Ähnlichkeit des Begriffs mit den<br />

oben erwähnten Synonymen für die Tonika – „Konzentrationston“, „Gravitationszentrum“,<br />

„Kraftzentrum“ <strong>und</strong> „Brennpunkt“ – ist sehr auffällig. Erpfs Definition der<br />

<strong>Klangzentren</strong>-Technik erweckt den Anschein, als hätte sich die Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> in<br />

manchen Werken der Atonalität nicht zur Gänze „aufgelöst“ gehabt; statt dessen könnte<br />

das definierende Moment – der Zentralklang – im Zuge der harmonischen Neuerungen<br />

lediglich neue Formen angenommen haben.<br />

Durch den Vergleich mit einer Tonika macht Erpf gleichzeitig auch eine Aussage über<br />

die hörpsychologischen Eigenschaften des Klangzentrums. Das Klangzentrum müsste in<br />

diesem Sinne ein Klang sein, der im musikalischen Zusammenhang keiner Auflösung<br />

mehr bedarf, obwohl es sich dabei laut Erpf meist um einen dissonanten Vielklang<br />

handelt. Auch alle akkordfremden Töne beziehen sich entsprechend auf dieses Klangzentrum<br />

<strong>und</strong> sind aus dessen Sicht zu deuten. Erpf spricht in diesem Zusammenhang<br />

von „Nebennoten“ <strong>und</strong> „Vorhalten“. 214 Auch die restliche Harmonik bezieht sich laut<br />

Erpf direkt auf das Klangzentrum, wie an dem Vergleich von kontrastierenden Zwischenpartien<br />

mit „dem dominantischen Heraustreten aus der Tonika“ deutlich wird.<br />

212 Unter der „Technik der ostinaten Unterlage“ versteht Erpf mehrstimmige ostinierende Figuren im<br />

Bass, die eigenständige harmonische Folgen ausbilden. Die Melodiestimmen bewegen sich zum Teil<br />

unabhängig von der Harmonik der ostinaten Unterlage <strong>und</strong> sind insofern – im Sinne der Dur-Moll-<br />

<strong>Tonalität</strong> – nicht funktional zu deuten (vgl. ebda., S. 122f, 194-198).<br />

213 Vgl. ebda.<br />

214 Vgl. z.B. Erpfs Analyse von Schönbergs Klavierstück op. 19/6 (ebda., S. 198).<br />

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