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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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<strong>und</strong> Ethnologen, die den Systemzwang scheuten, als empirisch unbegründbares Dogma<br />

verworfen.“ 16<br />

Im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert setzten sich auch einige Komponisten in ihren Lehrwerken mit dem<br />

Begriff <strong>Tonalität</strong> auseinander, wie beispielsweise Arnold Schönberg in seiner Harmonielehre<br />

(1911) <strong>und</strong> Paul Hindemith in seiner Unterweisung im Tonsatz (1939). Schönberg<br />

verwendet den Begriff dabei in einer ambivalenten Weise, die leicht zu Missverständnissen<br />

<strong>und</strong> Fehlinterpretationen führen kann. Während der Begriff <strong>Tonalität</strong> bis<br />

dahin hauptsächlich unter systematischen <strong>und</strong> historischen Gesichtspunkten verstanden<br />

wurde, wird er von Schönberg auch als eine „formale Möglichkeit“ 17 beschrieben, von<br />

der ein Komponist Gebrauch machen kann oder auch nicht. 18 <strong>Tonalität</strong> wird damit<br />

gewissermaßen auf eine Kompositionstechnik, einen handwerklichen Kniff, reduziert.<br />

Damit stellt sich Schönberg entschieden gegen naturalistische <strong>und</strong> evolutionistische<br />

Theorien, die davon ausgehen, dass <strong>Tonalität</strong> das natürliche Ergebnis einer historischen<br />

Entwicklung sei. Bei der Bewertung von Schönbergs <strong>Tonalität</strong>sbegriff muss allerdings<br />

berücksichtigt werden, dass Schönberg wenig daran lag, den Begriff aus Sicht der<br />

<strong>Musiktheorie</strong> zu differenzieren. Vielmehr nutzte er ihn vorrangig, um seine eigene<br />

Musik zu legitimieren <strong>und</strong> seinen Schülern einen künstlerisch freien Zugang zur<br />

Kompositionstechnik zu ermöglichen. Dabei verwendet Schönberg in seinen Analysen<br />

dur-moll-tonaler Musik gerne Begriffe wie „schwebende <strong>Tonalität</strong>“, „erweiterte <strong>Tonalität</strong>“<br />

oder „aufgelöste <strong>Tonalität</strong>“ <strong>und</strong> trug damit entschieden zu der Vorstellung bei, die<br />

<strong>Tonalität</strong> hätte sich mit der Musik der Wiener Schule „aufgelöst“. Damit hat Schönberg<br />

(bewusst oder unbewusst) auch eine Polarisierung der Musik nach 1910 heraufbeschworen.<br />

Komponisten, die nach wie vor dur-moll-tonale Musik schrieben, wurden in weiterer<br />

Folge oft als konventionell <strong>und</strong> regressiv abgestempelt.<br />

Nachfolgende Musiktheoretiker hatten es unter diesen Voraussetzungen schwer den<br />

<strong>Tonalität</strong>sbegriff neutral <strong>und</strong> werturteilsfrei weiterzudenken. Dies mag einer der Gründe<br />

dafür gewesen sein, weshalb Hermann Erpf 1927 den Begriff „Klangzentrum“ einführte,<br />

um damit einen „funktionslosen Satztypus“ zu beschreiben:<br />

16 Ebda. S. 17.<br />

17 Arnold Schönberg, Harmonielehre [1911], Wien: Universal Edition 2001, S. 27.<br />

18 Vgl. ebda.<br />

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