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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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Doch konnte das gezielte Zentrieren auf den Zentralklang der Tonika den Tendenzen<br />

der neuen musikalischen Syntax offensichtlich nicht mehr länger entgegenwirken. Über<br />

sein zweites Streichquartett op. 10 (1907–1908), das als Wendepunkt den Übergang zur<br />

Atonalität kennzeichnet, schreibt Schönberg:<br />

Schon im ersten <strong>und</strong> zweiten Satz kommen Stellen vor, in denen die unabhängige Bewegung der<br />

einzelnen Stimmen keine Rücksicht darauf nimmt, ob deren Zusammentreffen in „anerkannten“<br />

Harmonien erfolgt. Dabei ist hier […] eine Tonart an allen Kreuzwegen der formalen Konstruktion<br />

deutlich ausgedrückt. Doch konnte die überwältigende Vielheit dissonanter Klänge nicht<br />

länger durch gelegentliche Anbringung von solchen tonalen Akkorden ausbalanciert werden, die<br />

man gewöhnlich zum Ausdruck einer Tonart verwendet. 278<br />

Im Streichsextett Verklärte Nacht op. 4 (1899) finden sich erste Anzeichen dafür, dass<br />

es Schönberg immer schwerer fiel, die Tonika als Zentralklang zu festigen. Catherine<br />

Dale kommt zu dem Schluss, dass:<br />

[…] as in [the first chamber symphony] op. 9, Schoenberg was uncertain about the amount of<br />

dominant preparation necessary in order to create closure in his tonally expanded style. […]<br />

Moreover, the evasion of the dominant and, in particular, its substitution by whole-tone and<br />

quartal harmonies […] are anticipated in op. 4 […]. 279<br />

Die Harmonik des Streichsextetts ist gekennzeichnet durch Passagen dur-moll-tonaler<br />

Dezentrierung zugunsten dissonanter Klänge sowie der anschließenden Rückkehr zur<br />

Tonika als formalen Bezugspunkt. Die Takte 138-139, die Schönberg selbst als eine<br />

Stelle unbestimmbarer <strong>Tonalität</strong> bezeichnete (vgl. S. 42), 280 weisen beispielsweise<br />

Gemeinsamkeiten mit der Zentrierung auf einen verminderten Septakkord auf, die<br />

bereits in der Harmonik des Parsifal-Vorspiels zum dritten Akt besprochen wurde (vgl.<br />

S. 101-106). Abbildung 70 zeigt, dass die Harmonik hier aus Sicht der verminderten<br />

Septakkorde D° <strong>und</strong> F° als Nebennoten bzw. Vorhalte gedeutet werden kann (die<br />

Zahlen beziehen sich dabei wie zuvor bei den Parsifal-Analysen auf die Stufen des<br />

verminderten Septakkords; vgl. dazu Seite 102 sowie Abbildung 54). Insofern ist<br />

tatsächlich die Dur-Moll-<strong>Tonalität</strong> dieser Takte unbestimmbar, da das Klangzentrum<br />

nicht einen Dur- oder Moll-Dreiklang, sondern einen verminderten Septakkord darstellt.<br />

278 Schönberg, Rückblick, S. 437.<br />

279 Dale, Schoenbergs Chamber Symphonies, S. 6.<br />

280 Schönberg, Rückblick, S. 437.<br />

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