Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...
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zentraler Bezugspunkt verwendet wird, dann mag es in manchen Fällen durchaus<br />
sinnvoll sein, sie als ein Klangzentrum zu behandeln. Die Sinnhaftigkeit eine Skala als<br />
Klangzentrum anzusehen ergibt sich jedoch allein aus ihrer Einzigartigkeit im Verhältnis<br />
zu anderen Skalen oder Klängen, welche ihr wiederum als <strong>Klangzentren</strong> gegenübergestellt<br />
werden können. Wenn die Skala dagegen für sich alleine steht, dann wäre sie als<br />
Klangzentrum bedeutungslos, da wir keinen Erkenntnisgewinn aus dieser Information<br />
ableiten könnten. Die Gr<strong>und</strong>reihe einer dodekaphonen Komposition muss an sich noch<br />
nichts über den Gesamtklang der Stelle aussagen, in der ihre Ableitungen verwendet<br />
werden. Vielmehr ergibt sich der Gesamtklang aus der bewussten Kombination unterschiedlicher<br />
Reihenformen <strong>und</strong> ändert sich demnach im Verlauf des Werkes ständig.<br />
Dass diese Kombination von Reihenformen auch Zentralklänge ausbildet, ist zwar<br />
möglich, kann aber nicht im Allgemeinen beantwortet, sondern muss im konkreten Fall<br />
erneut hinterfragt werden; insbesondere erzeugen gleiche Reihenformen nicht unbedingt<br />
dieselben <strong>Klangzentren</strong>.<br />
Auch wurde noch nicht geklärt, aus wessen Sicht ein Ton oder Akkord die Rolle eines<br />
Zentralklangs nun einnehmen muss, damit <strong>Tonalität</strong> vorhanden ist: Ist es der Komponist,<br />
der einem Klang eine besondere Bedeutung zukommen lässt, oder ist es der Hörer,<br />
der einen Klang als besonders bedeutend wahrnimmt? Oder ist es gar der Musiktheoretiker,<br />
der einer Komposition das Vorhandensein eines bestimmten Zentralklangs unterstellt<br />
oder neue <strong>Klangzentren</strong> aufdeckt, die weder dem Komponisten noch dem Hörer<br />
bekannt waren? Es dürfte schwierig sein diese Fragen endgültig zu beantworten, da jede<br />
dieser Positionen gleichermaßen ihre Berechtigung hat. Dahlhaus stellt fest, „daß<br />
<strong>Tonalität</strong> eine historische Kategorie ist, die das Moment der Zeit enthält. Auf einer<br />
späteren Entwicklungsstufe können Phänomene als tonal gelten, die man auf einer<br />
früheren vom Begriff der <strong>Tonalität</strong> ausschließen müßte“ 250 . Zusätzlich ist <strong>Tonalität</strong><br />
jedoch auch eine kompositionstechnische sowie eine hörpsychologische Kategorie, aus<br />
deren Sicht sich der Begriff substanziell unterscheiden kann. Die endgültige Bedeutung<br />
von <strong>Tonalität</strong> kann sich demnach immer nur aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus<br />
erschließen. Ob die von Erpf <strong>und</strong> Lissa auf post- bzw. atonale Werke angewandte<br />
Technik des Klangzentrums, als eine Konsequenz oder ein Weiterwirken dur-molltonaler<br />
Prinzipien angesehen werden kann, hängt insofern auch von dem jeweiligen<br />
250 Ebda.<br />
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