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Klangzentren und Tonalität - Musiktheorie / Musikanalyse ...

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Ob die Zentrierung der Ton- oder Akkordbeziehungen um einen Gr<strong>und</strong>ton oder -akkord als<br />

essentielles oder als akzidentelles Merkmal der <strong>Tonalität</strong> gelten soll, ist ungewiß oder scheint es<br />

zu sein. Der Verzicht auf das definierende Merkmal „Zentrierung“ läßt „<strong>Tonalität</strong>“ zu einer<br />

generellen Bezeichnung für Tonbeziehungen verblassen; „<strong>Tonalität</strong>“ <strong>und</strong> „Tonsystem“ werden<br />

synonyme Ausdrücke, sofern man nicht „<strong>Tonalität</strong>“ als „Prinzip“ <strong>und</strong> „Tonsystem“ als „Erscheinungsform“<br />

begreift. Doch ist es […] überflüssig, den Sachverhalt, den der Ausdruck „Tonsystem“<br />

meint, durch einen zweiten Terminus zu bezeichnen. 247<br />

In diesem Zusammenhang ist auch Zofja Lissas Gleichsetzung von Klangzentrum <strong>und</strong><br />

Skala <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Deutung von Dodekaphonie als Weiterentwicklung der<br />

<strong>Klangzentren</strong>-Technik kritisch zu bewerten. Jede beliebige Ansammlung von Tonhöhen<br />

kann irgendeiner Skala oder – im Falle der Dodekaphonie – einer Reihe zugr<strong>und</strong>e gelegt<br />

werden, womit sich der Begriff „Klangzentrum“ auf jede beliebige Musik anwenden<br />

ließe:<br />

Wird der <strong>Tonalität</strong>sbegriff an Umfang weiter, so muß er nach den Regeln der formalen Logik an<br />

Inhalt ärmer werden. […]<br />

Ein Begriff der alle Akkorde <strong>und</strong> Akkordverbindungen umfaßt, die denkbar sind, ist inhaltslos.<br />

[…] An dem Eingeständnis, daß der „Zentralklang“ eines Satzes nicht als realer Akkord 248 in<br />

ihm vorkommen müsse, sondern konstruiert werden könne, wird die Schwäche der Konstruktion<br />

offenbar; denn man braucht, um den gemeinsamen Ursprung aller Akkorde eines Satzes zu<br />

finden, nur die kleinste Zahl der Töne, von denen mindestens einer in jedem Akkord enthalten<br />

ist, zu einem hypothetischen „Zentralklang“ zusammenzusetzen. Das Prinzip ist also, da es für<br />

alle Musik gilt <strong>und</strong> über keine etwas besagt, leer allgemein. 249<br />

Damit ist aber nicht gesagt, dass sich Skala <strong>und</strong> Klangzentrum gegenseitig ausschließen.<br />

Jede Menge von Tönen kann im vertikalen Zusammenklang als Klangzentrum dienen<br />

<strong>und</strong> zugleich in der horizontalen Aufeinanderfolge als Skala oder Reihe Verwendung<br />

finden. Jedoch umgekehrt davon auszugehen, dass jede Skala oder Reihe auch ein<br />

Klangzentrum wäre, ist ein logischer Fehlschluss. Allerdings hat die einem Werk<br />

zugr<strong>und</strong>e liegende Skala oft einen erheblichen Einfluss auf den sich ergebenden<br />

Gesamtklang. Wenn eine Skala im Sinne einer modalen Kompositionstechnik als<br />

247 Dahlhaus, Untersuchungen, S. 17.<br />

248 Dahlhaus’ Aussage, dass ein Klangzentrum als „realer Akkord“ in einem Musikstück vorkommen<br />

muss ist allerdings schwer nachvollziehbar. Gerade die dur-moll-tonale Musik lebt schließlich von<br />

einem Klangzentrum – der Tonika – das keineswegs immer vorhanden sein muss, jedoch trotzdem<br />

wahrgenommen oder zumindest gedacht werden kann.<br />

249 Carl Dahlhaus, Der <strong>Tonalität</strong>sbegriff in der neuen Musik, in: Schönberg <strong>und</strong> andere. Gesammelte<br />

Aufsätze zur Musik mit einer Einleitung von Hans Oesch, Schott: Mainz 1978, S. 111-117, hier S. 113.<br />

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