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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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(das e<strong>in</strong>e Studie präsentierte, nach der Österreich beitreten müsse, um<br />

se<strong>in</strong>e Zukunftschancen zu wahren) 31 , bis h<strong>in</strong> zu prom<strong>in</strong>enten Frauen 32 oder<br />

der Börse, die prompt auf die positiven Umfragewerte mit e<strong>in</strong>em<br />

Aufwärtstrend reagierte 33 .<br />

Kurz: Das historische Votum von 66,58 % Stimmenanteil für e<strong>in</strong>en Beitritt<br />

Österreichs war ke<strong>in</strong> Ausdruck für die mehrheitlich postnationalstaatliche<br />

E<strong>in</strong>stellung der österreichischen Bevölkerung, sondern das Resultat e<strong>in</strong>er<br />

konzertierten Informationspolitik, <strong>in</strong> der Regierungsparteien, Verbände,<br />

Forschungs<strong>in</strong>stitute <strong>und</strong> Interessenvertretungen offenbar unablässig den<br />

Beitritt favorisierende Informationen produzierten, die von der „Zeit im Bild“<br />

als Nachrichten selektiert werden konnten. Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> könnte<br />

man nicht nur, wie Gerhard Jagschitz das getan hat, von e<strong>in</strong>em „Missverständnis<br />

der Politik“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er „mangelhaften politischen Kultur“<br />

sprechen (zit. n. Gehler 2002:328), sondern auch von e<strong>in</strong>em<br />

„Missverständnis des Fernsehjournalismus“, der se<strong>in</strong>er Rolle als „vierter<br />

Macht“ ke<strong>in</strong>eswegs gerecht wurde <strong>und</strong> damit von e<strong>in</strong>er „mangelhaften<br />

journalistischen Kultur“ im Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. In<br />

den Wochen vor der Abstimmung über den Beitritt war die zentrale<br />

Nachrichtensendung des ORF, wie später dann nur noch e<strong>in</strong>mal zur Zeit<br />

der so genannten Sanktionen der EU-14 gegen die österreichische<br />

B<strong>und</strong>esregierung, dem erlegen, was Franz Schuh als „Wotan-Syndrom“ zu<br />

begreifen versucht hat: freiwillig das zu wünschen, was der Herrscher<br />

verlangt (vgl. Schuh 2001:13-16). 34<br />

3.4.2 Viele Worte, wenige <strong>Bilder</strong><br />

Die von Michael Gehler vertretene These, die österreichische Bevölkerung<br />

sei mehr überredet als überzeugt worden, gew<strong>in</strong>nt im Kontext der<br />

vorliegenden Untersuchung aber noch e<strong>in</strong>en zusätzlichen S<strong>in</strong>n. Würde man<br />

die Analyse der Informationssendungen des ORF ausschließlich auf die<br />

tägliche Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ beschränken, wäre der<br />

Ausdruck „überredet“ nämlich tatsächlich wörtlich zu nehmen: Der<br />

Überzeugungsdruck wurde mit Worten aufgebaut, d.h. mit diskursiv<br />

erzeugten Vorstellungen, die <strong>in</strong>s Bild zu setzen offenbar bedeutet hätte, sie<br />

ihrer emotionalen Qualitäten zu berauben. Von <strong>Europa</strong> war vergleichsweise<br />

wenig zu sehen <strong>in</strong> der täglichen Nachrichtensendung des ORF: ke<strong>in</strong>e<br />

31<br />

ibid.<br />

32<br />

Zeit im Bild, 8.6.1994.<br />

33<br />

ibid.<br />

34<br />

Die Kosten für politische <strong>und</strong> journalistische (Selbst)Missverständnisse wie diese s<strong>in</strong>d<br />

nicht zu unterschätzen <strong>und</strong> jeweils sowohl <strong>in</strong>nen- wie auch außenpolitisch zu entrichten:<br />

Innenpolitisch durch plötzliche Me<strong>in</strong>ungsausschläge <strong>in</strong> die Gegenrichtung, die sich aus<br />

der Differenz zwischen propagiertem Bild <strong>und</strong> erfahrbarer „Wirklichkeit“ ergeben,<br />

außenpolitisch durch die Unberechenbarkeit e<strong>in</strong>er auf der Missachtung demokratischer<br />

Gr<strong>und</strong>regeln basierenden Politik.<br />

111

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