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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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transportiert – wurde zu e<strong>in</strong>em positiven Selbstbild, <strong>in</strong> dem diese Elite<br />

ihre Rolle <strong>in</strong> der Modernisierung als etwas Nützliches <strong>und</strong><br />

Unentbehrliches <strong>in</strong>szenieren konnte. Schon damals wurden mit der<br />

Fähre jedoch auch negative Konnotationen verb<strong>und</strong>en: die unruhigen,<br />

<strong>in</strong>stabilen <strong>und</strong> von Abhängigkeit geprägten politischen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Positionen e<strong>in</strong>es Landes <strong>und</strong> die labile Identität e<strong>in</strong>er Nation dazu.<br />

• Der Friedensvertrag von Versailles <strong>und</strong> Trianon 1921: Das Jahr 1921<br />

brachte wegen des Zerfalles des historischen Ungarn e<strong>in</strong>e<br />

antieuropäische Wende mit sich (Kovács 2004). Die Kriegsniederlage,<br />

die Erfahrungen der bürgerlichen <strong>und</strong> der kommunistischen Revolution<br />

<strong>in</strong> den Jahren 1918 <strong>und</strong> 1919 <strong>und</strong> das fe<strong>in</strong>dselige Verhalten der Entente<br />

<strong>in</strong> den Verhandlungen von Versailles im Jahr 1920 traumatisierten<br />

die Zeitgenossen. Die christlich-konservative Regierung produzierte auf<br />

der Basis dieser Erfahrungen e<strong>in</strong>e narzisstische, nationalistische<br />

Ideologie mit der Losung: „Wir s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> geblieben“.<br />

• Die Zwischenkriegszeit wurde deshalb zu e<strong>in</strong>er Epoche des<br />

E<strong>in</strong>tauchens <strong>in</strong> die nationale Tradition („<strong>Europa</strong> mag uns nicht“). Der<br />

ungarische politische Diskurs der Zwischenkriegszeit gründete auf e<strong>in</strong>er<br />

ständigen, radikalen <strong>Europa</strong>- <strong>und</strong> Entente-Kritik, obwohl die<br />

realpolitische Orientierung – zum<strong>in</strong>dest seit der Mitte der 1920er-<br />

Jahre – weniger doktr<strong>in</strong>är war. Die wichtigsten Merkmale des<br />

<strong>Europa</strong>diskurses waren Revisionismus <strong>und</strong> Irredentismus, e<strong>in</strong>e<br />

Sehnsucht nach dem vergangenen „Reich“. In den <strong>in</strong>tellektuellen<br />

Kreisen gab es jedoch – mit dem so genannten „Kulturkampf“ zwischen<br />

Volkstümlern <strong>und</strong> Urbanisten – e<strong>in</strong>en Versuch der Neudef<strong>in</strong>ition der<br />

Position Ungarns <strong>in</strong> <strong>Europa</strong> (Zentai 1999). Die Ideologien des<br />

Traditionalismus <strong>und</strong> der Modernisierung (Konservativismus <strong>und</strong><br />

Liberalismus) existierten bereits früher, bis zum Ersten Weltkrieg<br />

konnten sie jedoch als unterschiedliche, aber legitime<br />

Nationalprogramme identifiziert werden. Erst nach der ungarischen<br />

Räterepublik 1919 <strong>und</strong> den Verträgen von Versailles <strong>und</strong> Trianon 1920<br />

hat der Liberalismus (nicht aber die Modernisierung allgeme<strong>in</strong>) diese<br />

Legitimität verloren. Die Schlüsselbegriffe des Diskurses waren: Ost vs.<br />

West, Konservativismus vs. Liberalismus, Tradition vs. Modernität,<br />

Nation vs. Staat, Volk vs. Staatsbürger, Religion vs. Säkularisierung,<br />

Dorf vs. Stadt, Bauerntum vs. Bürgertum. Nach der Logik der<br />

volkstümlichen Argumentation hat derjenige, der von diesem emotionalmoralisch<br />

konstituierten „Volk“ die Legitimität erhält, auch das Recht,<br />

die „Nation“ zu regieren. Die so bezeichnete – <strong>und</strong> dadurch def<strong>in</strong>ierte –<br />

Gruppe musste, der Logik der Volkstümler folgend, ständig <strong>und</strong> eifrig<br />

beteuern, dass sie <strong>und</strong> ihr Programm ebenso sehr ungarisch<br />

(nationalistisch) seien wie diese selbst. Die volkstümliche<br />

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