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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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Horizont aller Erkenntnis gemacht, geht die ikonische Wende über die re<strong>in</strong>e<br />

Analogie zur l<strong>in</strong>guistischen h<strong>in</strong>aus: Zunächst deshalb, weil Boehm sie am<br />

Ausgang der Überlegungen Ludwig Wittgenste<strong>in</strong>s verortet, der die<br />

Plausibilität sprachlicher Begriffe mit der Anschaulichkeit <strong>und</strong> Bildhaftigkeit<br />

der ungenauen Alltagssprache begründete (womit die ikonische<br />

nachträglich zur stillen Voraussetzung jener l<strong>in</strong>guistischen Wende wurde,<br />

die ihr dennoch den Weg bereitete). Sodann, weil Boehm die „ikonische<br />

Differenz“ an die Stelle der l<strong>in</strong>guistischen Differenz zwischen geschriebener<br />

<strong>und</strong> gesprochener Sprache setzt: „Sie [die ikonische Differenz] markiert<br />

e<strong>in</strong>e zugleich visuelle <strong>und</strong> logische Mächtigkeit, welche die Eigenart des<br />

Bildes kennzeichnet, das der materiellen Kultur unaufhebbar zugehört, auf<br />

völlig unverzichtbare Weise <strong>in</strong> Materie e<strong>in</strong>geschrieben ist, dar<strong>in</strong> aber e<strong>in</strong>en<br />

S<strong>in</strong>n aufsche<strong>in</strong>en lässt, der zugleich alles Faktische überbietet“ (Boehm<br />

1994:30). Nach diesen Formulierungen besitzt das Bild nicht nur e<strong>in</strong>e<br />

visuelle, sondern auch e<strong>in</strong>e logische Mächtigkeit, welche die Kultur, <strong>in</strong> die<br />

es e<strong>in</strong>gebettet ist, mit e<strong>in</strong>em Überschuss an S<strong>in</strong>n konfrontiert.<br />

Was zunächst wie die Neuformulierung der differànce im S<strong>in</strong>ne Jacques<br />

Derridas wirkt (<strong>und</strong> <strong>in</strong>sofern bereits e<strong>in</strong>e Radikalisierung des l<strong>in</strong>guistic turn<br />

darstellen würde; vgl. Derrida 1983), liest sich e<strong>in</strong>ige Zeilen weiter<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur noch wie der e<strong>in</strong>fache Gegensatz zwischen der Kultur der<br />

<strong>Bilder</strong> <strong>und</strong> der sprachlich vermittelten Kultur: „Die <strong>Bilder</strong> repräsentieren ke<strong>in</strong><br />

abgeschlossenes Reich. Aber ihre Kultur lebt davon, dass sie die ihr<br />

<strong>in</strong>newohnende Fremdheit, ihr dichtes Schweigen <strong>und</strong> ihre anschauliche<br />

Fülle gegenüber dem fortwährenden Gemurmel der Diskurse <strong>und</strong> dem<br />

Lärm der Debatten behauptet“ (Boehm 2004:43). Sollte mit diesen<br />

Ausführungen bloß gesagt se<strong>in</strong>, dass <strong>Bilder</strong> e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n besitzen, der se<strong>in</strong>er<br />

sprachlichen Ausdeutung widersteht, wäre damit für die Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />

ikonischen Wendung noch nicht viel gewonnen: Wie anders, so könnte<br />

man fragen, denn über den sprachlich konstruierten Gegensatz zwischen<br />

Bild <strong>und</strong> Sprache ließe sich e<strong>in</strong>e Ahnung vermitteln von der der Kultur der<br />

<strong>Bilder</strong> <strong>in</strong>newohnenden Fremdheit? Sollte aber im Gegenteil die ikonische<br />

Wende die Fremdheit der <strong>Bilder</strong> tatsächlich nur vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> des<br />

fortwährenden Gemurmels der Diskurse behaupten können, dann wird ihr<br />

gr<strong>und</strong>legendes Charakteristikum dar<strong>in</strong> zu suchen se<strong>in</strong>, untrennbar von der<br />

l<strong>in</strong>guistischen Wende mit dieser verb<strong>und</strong>en zu bleiben.<br />

Das merkwürdige Zögern, das die Boehmsche Konzeption des iconic turn<br />

offenbar bei der Beantwortung der Frage an den Tag legt, auf welcher<br />

Ebene die ikonische Differenz denn nun anzusiedeln wäre – zwischen Bild<br />

<strong>und</strong> bildlich vermittelter Erkenntnis oder zwischen Bild <strong>und</strong> sprachlich<br />

vermittelter Erkenntnis –, ist der Unvere<strong>in</strong>barkeit von zwei Problemen<br />

geschuldet: Erstens dem ambivalenten Status, den Boehm dem Bild<br />

e<strong>in</strong>räumt („es ist e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Nicht-D<strong>in</strong>g zugleich, bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Mitte<br />

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