05.02.2013 Aufrufe

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Kultur der Gefahr, bzw. jene Populär- oder Massenkultur, die diese<br />

verbreitet, ist die Fortsetzung der abendländischen ebenso wenig wie sie<br />

die Gesamtheit der Populärkultur ausmacht. So jedenfalls könnte man die<br />

folgenden Ausführungen von Michel Foucault verstehen: „Die<br />

apokalyptischen Reiter verschwanden, <strong>und</strong> statt dessen vollzog sich das<br />

Ersche<strong>in</strong>en, das Auftauchen, die Invasion alltäglicher Gefahren, die ständig<br />

von dem belebt, aktualisiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> Umlauf gesetzt wurden, was man die<br />

politische Kultur der Gefahr des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts nennen könnte <strong>und</strong> die<br />

e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Aspekten aufweist. Da ist beispielsweise die<br />

Kampagne am Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts für die Sparkassen. Von der<br />

Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts an tauchen Krim<strong>in</strong>alromane <strong>und</strong> das<br />

journalistische Interesse am Verbrechen auf. Es gibt alle Arten von<br />

Kampagnen, die sich um Krankheit <strong>und</strong> Hygiene kümmern. Achten sie<br />

auch auf das, was um die Sexualität <strong>und</strong> um die Angst vor der Entartung<br />

herum geschieht: Entartung des Individuums, der Familie, der Rasse, der<br />

Menschheit. Überall sieht man diese Aufstachelung der Angst vor der<br />

Gefahr, die gewissermaßen die Bed<strong>in</strong>gung, das psychologische <strong>und</strong> <strong>in</strong>nere<br />

kulturelle Korrelat des Liberalismus ist“ (Foucault 2004:101).<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> gilt es für die vorliegende Untersuchung zu<br />

unterscheiden zwischen jenen relativ seltenen Versuchen der<br />

Instrumentalisierung der Geschichte, die e<strong>in</strong>e politische Geme<strong>in</strong>schaft über<br />

die Schaffung e<strong>in</strong>es politischen Mythos konstruieren wollen, <strong>und</strong> den<br />

stereotypen, im Gr<strong>und</strong>e unbedeutenden, dafür aber täglich wiederholten<br />

visuellen <strong>und</strong> diskursiven Darstellungen dessen, was zwar nicht als<br />

europäische Wirklichkeit, wohl aber als europäische Normalität gelten<br />

kann. Bezieht der politische Mythos sich stets auf die Ebene europäischer<br />

Kultur16, f<strong>in</strong>den die Darstellungen europäischer Normalität auf der Ebene<br />

politisch-ökonomischer Prozesse ihren Referenzbereich. Diese zwei Arten<br />

von Entwürfen, was <strong>Europa</strong> ist oder se<strong>in</strong> soll, teilen wenig mehr als ihren<br />

Gegenstand: Wo der e<strong>in</strong>e Entwurf die Geschichte <strong>in</strong>strumentalisiert, um <strong>in</strong><br />

Zukunft die Er<strong>in</strong>nerung zu besetzen, bildet der andere Prozesse ab, die<br />

zwar <strong>in</strong> der Gegenwart ablaufen, deren Ausgang aber ungewiss ist; wo der<br />

e<strong>in</strong>e sich über die Dialektik von E<strong>in</strong>schluss <strong>und</strong> Ausschluss konstituiert,<br />

schließt der andere nichts aus als die Endgültigkeit jeden Ausschlusses.<br />

Auf der Ebene der kulturellen E<strong>in</strong>heit, der <strong>in</strong>strumentalisierten Geschichte,<br />

des politischen Mythos f<strong>in</strong>den sich Aussagen wie diese: „Der Notwendigkeit<br />

für e<strong>in</strong>e Organisation wie die EU Symbole zu f<strong>in</strong>den, die e<strong>in</strong>e positive<br />

kollektive Identifizierung mit ihrem politischen Projekt ermöglichen, steht die<br />

zunehmende Unfähigkeit postmoderner <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividualisierter<br />

16 Fabrice Larat hat den Bezug von politischem Mythos <strong>und</strong> europäischer Kultur am Beispiel<br />

des (zuletzt dann doch erfolglosen) Versuchs herausgearbeitet, das Andenken an Karl<br />

den Großen als <strong>in</strong>tegrativen europäischen Gedächtnisort zu <strong>in</strong>strumentalisieren (vgl.<br />

Larat 2000).<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!