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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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Die Transparenz stützt sich auf e<strong>in</strong> sich ständig veränderndes kollektives<br />

Gedächtnisbild, das durch die „Wand der Ähnlichkeit“ <strong>in</strong> die Fotografie<br />

here<strong>in</strong>bricht <strong>und</strong> an die – <strong>in</strong> diesem Fall vergangene – Wirklichkeit der<br />

abgebildeten Personen er<strong>in</strong>nert. Dieses Gedächtnisbild ist <strong>in</strong> der Regel<br />

nicht das Resultat e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Bilds, es setzt sich aus e<strong>in</strong>er ganzen<br />

Reihe von <strong>Bilder</strong>n, d.h. von aktuellen Er<strong>in</strong>nerungen an die leibhaftige<br />

Wirklichkeit der Abgebildeten zusammen. Es korrespondiert auf der Seite<br />

der Betrachter/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> etwa mit dem, was auf der Seite der Abgebildeten<br />

„Image“ heißt: E<strong>in</strong> – im Übrigen eng mit der Entstehung des<br />

Fotojournalismus verb<strong>und</strong>enes – Phänomen, das man als die Etablierung<br />

e<strong>in</strong>es „öffentlichen Gesichts“ e<strong>in</strong>er Person bezeichnen könnte.<br />

In se<strong>in</strong>em Aufsatz zu Geschichte <strong>und</strong> gesellschaftlicher Bedeutung der<br />

Produktion von Gesichtsbildern beschreibt Ulrich Raulff sowohl die Wurzeln<br />

der Imageproduktion, die <strong>in</strong>s 19. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> zu den Anfängen der<br />

Lichtbildnerei zurückreichen, als auch die Zäsur, die, beg<strong>in</strong>nend mit der<br />

Live-Fotografie <strong>und</strong> den Serienbildern Nadars, zwischen 1870 <strong>und</strong> 1890<br />

„e<strong>in</strong>e entscheidende Phase auf dem Weg zu e<strong>in</strong>em neuen Verhältnis von<br />

Gesichtern <strong>und</strong> <strong>Bilder</strong>n“ markierte: „Bis dah<strong>in</strong> hatte sich die Fotografie <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Konkurrenz zur Malerei gesehen <strong>und</strong> ihre Anstrengung auf<br />

das ‚synthetische’, d.h. viele, möglichst wesentliche Ausdrücke des<br />

Gesichts vere<strong>in</strong>igende Porträt gerichtet. Auf diese Weise hatte sie versucht,<br />

dem Vorwurf des Zufälligen, Mechanischen <strong>und</strong> Seelenlosen zu entgehen,<br />

wie er von Seiten der Malerei beständig gegen sie erhoben wurde. Jetzt<br />

vollzieht sich e<strong>in</strong>e Wendung zur Selbstbehauptung. Die Fotografie bekennt<br />

sich offen zu ihrem analytischen Charakter <strong>und</strong> behauptet dar<strong>in</strong> ihre Stärke<br />

gegenüber der Malerei“ (Raulff 1984:50).<br />

Diese Wende zur Selbstbehauptung br<strong>in</strong>gt nicht nur e<strong>in</strong>e Aufwertung der<br />

Momentaufnahme mit sich, sie hat ebenso zur Konsequenz, dass „das<br />

e<strong>in</strong>e, ideale Gesicht des Menschen zerlegt wird <strong>in</strong> viele, reale <strong>und</strong> speziale<br />

Gesichter. Die E<strong>in</strong>heit der Person wird gleichsam ‚photolytisch’ behandelt,<br />

sie wird aufgesprengt <strong>in</strong> die Vielfalt ihrer Ausdrücke <strong>und</strong> Aspekte“ (Raulff<br />

1984:50). Dieses Aufsprengen der Person gilt nicht nur für die Unzahl<br />

fotografischer Momentaufnahmen, die beispielsweise von e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />

Person <strong>in</strong> Umlauf s<strong>in</strong>d, sondern bereits für den Moment der Aufnahme<br />

selbst. Wie Roland Barthes bemerkt hat, bef<strong>in</strong>det sich jeder Porträtierte<br />

fortan im Schnittpunkt von vier imag<strong>in</strong>ären L<strong>in</strong>ien: „Vor dem Objektiv b<strong>in</strong> ich<br />

gleichzeitig: der, für den ich mich halte, der, für den ich gehalten werden<br />

möchte, der, für den der Fotograf mich hält, <strong>und</strong> der, an dem er se<strong>in</strong>e Kunst<br />

demonstriert“ (Barthes 1981:29). In diesem Schnittpunkt entsteht, was als<br />

Ausdruck der Natürlichkeit <strong>und</strong> Unbefangenheit e<strong>in</strong>er Person gelten soll<br />

<strong>und</strong> dennoch nichts anderes se<strong>in</strong> kann als die Aufnahme von „partialen <strong>und</strong><br />

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