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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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Im Unterschied zu Roland Barthes bezieht Bruhn se<strong>in</strong>e Aussagen nicht auf<br />

den Bereich der Presse-, sondern auf den der Vorratsfotografie (stock<br />

photography); die Phänomene, die er beschreibt, lassen sich aber <strong>in</strong> der<br />

Praxis der Pressefotografie ebenfalls nachweisen. Dazu gehört nicht nur<br />

die lange Kette der Bildproduktion, welche zwischen e<strong>in</strong>en Sachverhalt <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>e kollektive Wahrnehmung Fotografen/<strong>in</strong>nen, Agenturen,<br />

Bildredaktionen, Grafiker/<strong>in</strong>nen, Layouter/<strong>in</strong>nen, Schlussredaktionen,<br />

Verkäufer/<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Leser/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>schaltet10, sondern auch die auf jeder<br />

Stufe dieser Produktion mögliche Zähmung der dem Abbild<br />

<strong>in</strong>newohnenden Virtualität (wobei man mit Roland Barthes ergänzen<br />

müsste, dass die Zähmung <strong>in</strong> diesem Fall auch konnotative Aspekte<br />

erfassen kann). Bruhn zitiert den amerikanischen<br />

Kommunikationswissenschafter David Perlmutter, wenn er schreibt:<br />

„Almost all icons11 have very few dist<strong>in</strong>ct virtual elements, or rather, they<br />

are shot, cropped, or pr<strong>in</strong>ted to exclude all those elements that the<br />

photographer and editors, follow<strong>in</strong>g the values of trade, damn unessential<br />

to the ‚ma<strong>in</strong> po<strong>in</strong>t’ of the picture“ (zit. n. Bruhn 2003:47). Mit dieser Form<br />

ökonomischer Bildproduktion (die eigentlich e<strong>in</strong>e Form der Bildreduktion ist)<br />

e<strong>in</strong>her gehen e<strong>in</strong>e Reihe von Paradoxa, zu denen die Suggestion e<strong>in</strong>er<br />

optischen Überfülle ebenso gehört wie die „Perfektionierung des<br />

Durchschnittlichen“: Soll das erste Paradox den durch den hohen<br />

Illustrationsbedarf der Mediengesellschaft bed<strong>in</strong>gten faktischen Mangel an<br />

<strong>Bilder</strong>n überspielen, sorgt das zweite dafür, dass das e<strong>in</strong>zelne Motiv<br />

möglichst oft verwendet werden kann, ohne als Wiederholung aufzufallen.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er durch marktförmige Praktiken erzeugten<br />

Allgeme<strong>in</strong>verständlichkeit von <strong>Bilder</strong>n, die offenbar nicht wegen ihrer<br />

ästhetischen Qualitäten, sondern aus dem Gr<strong>und</strong> öffentlich akzeptiert<br />

werden, weil die Mischung aus Allgegenwart <strong>und</strong> Variationsfreude dafür<br />

sorgt, dass sie nur noch flüchtig wahrgenommen werden, schlägt Bruhn<br />

denn auch die Ergänzung von ikonologischen durch mengenorientierte<br />

Bildkonzepte vor: „Obwohl <strong>in</strong>haltlich gleichgültig, def<strong>in</strong>iert der tägliche<br />

millionenfache Kontakt mit derartigen <strong>Bilder</strong>n e<strong>in</strong>e besondere Menge<br />

effizienter, funktioneller Visualisierungen, deren Produktcharakter Folgen<br />

für das Denken <strong>und</strong> Argumentieren <strong>in</strong> <strong>Bilder</strong>n <strong>in</strong>sgesamt hat“ (Bruhn<br />

2003:75f.). Ihre Wirksamkeit <strong>und</strong> Lesbarkeit entfalten die<br />

Durchschnittsbilder – die Bruhn mit dem Begriff „Schlagbilder“ bezeichnet,<br />

weil jedes von ihnen wie das Schlagwort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verzeichnis für e<strong>in</strong>e<br />

Klasse vergleichbarer <strong>Bilder</strong> steht – durch Wiederholung, d.h. durch die<br />

10<br />

…um auf diese Weise jenes Band der Referenz im S<strong>in</strong>ne Bruno Latours zu weben, das<br />

uns mit der Welt verb<strong>in</strong>det (vgl. Latour 2002).<br />

11<br />

Perlmutter verwendet den Begriff „Icon“ hier als Synonym für den Begriff „Abbild“, <strong>und</strong><br />

nicht, wie es <strong>in</strong> der vorliegenden Untersuchung vorgeschlagen wird, als Bezeichnung für<br />

die endlose Wiederkehr gleichartiger Bildformen.<br />

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