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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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turn dem Abbild entgegenbr<strong>in</strong>gt, resultiert aus se<strong>in</strong>em sek<strong>und</strong>ären Status<br />

im Verhältnis zu den Ideen, die außerhalb von Raum <strong>und</strong> Zeit ewige<br />

Gültigkeit beanspruchen <strong>und</strong> durch etwas anderes erkannt werden müssen<br />

als durch die s<strong>in</strong>nliche Wahrnehmung (etwa durch die Philosophie, den<br />

Geist, die Anamnesis). Mag das Bild im emphatischen S<strong>in</strong>n aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er<br />

S<strong>in</strong>gularität <strong>und</strong> Rätselhaftigkeit den Olymp der Ideen gerade noch<br />

berühren, bleibt dieser dem Abbild schon alle<strong>in</strong>e deshalb verschlossen,<br />

weil es von der s<strong>in</strong>nlichen Erfahrbarkeit der Gegenstände, d.h. vom<br />

Glauben an deren Wirklichkeit ausgeht, im Resultat aber weder den<br />

Gegenstand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er physischen Existenz noch die Idee des Gegenstands<br />

wiedergeben kann, sondern nur jene Aspekte an diesem, welche der<br />

s<strong>in</strong>nlichen Erfahrung ohneh<strong>in</strong> zugänglich s<strong>in</strong>d (vgl. Platon 1991). Das<br />

Abbild verdoppelt mit anderen Worten e<strong>in</strong>fach den s<strong>in</strong>nlich vermittelten<br />

Glauben an die Wirklichkeit <strong>und</strong> hat auf diese Weise nicht nur ke<strong>in</strong>en Anteil<br />

an Erkenntnis <strong>und</strong> Wahrheit, sondern beh<strong>in</strong>dert diese auch noch zusätzlich,<br />

<strong>in</strong>dem es sich als weiterer, im Gr<strong>und</strong>e aber überflüssiger Gegenstand <strong>in</strong><br />

verführerischer Absicht den stets zeugungslustigen S<strong>in</strong>nen anbietet.<br />

Diesen Ikonoklasmus platonischer Prägung verb<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e direkte L<strong>in</strong>ie mit<br />

jener F<strong>und</strong>amentalkritik moderner Reproduktions- oder Massenmedien, die<br />

auch <strong>und</strong> gerade dann <strong>und</strong>ifferenziert bleibt, wenn diese Kritik im Namen<br />

des Bilds vorgebracht wird. Mit der Behauptung, Massen- als<br />

Verbreitungsmedien favorisierten das Abbild, ist die Unterstellung<br />

verb<strong>und</strong>en, sie reproduzierten bloß den Glauben an die Wirklichkeit, ohne<br />

diese <strong>in</strong> Richtung von Erkenntnis <strong>und</strong> Wahrheit zu durchdr<strong>in</strong>gen – oder<br />

anders gesagt: Dem von den Massenmedien verbreiteten Glauben<br />

entspräche ke<strong>in</strong> (wahres) Wissen. Zu dieser Behauptung gehört die noch<br />

bei Boehm anzutreffende Denkfigur, dass die massenhafte Verbreitung von<br />

Abbildern tendenziell auch die Ausbildung e<strong>in</strong>es Wissens darüber<br />

beh<strong>in</strong>dert, was e<strong>in</strong> Bild sei. Dass im Rahmen dieser Argumentationskette<br />

e<strong>in</strong>e realistische E<strong>in</strong>schätzung der gesellschaftlichen Funktion, welche die<br />

von den Reproduktionsmedien verbreiteten <strong>Bilder</strong> erfüllen, nur schwer<br />

möglich se<strong>in</strong> wird, liegt auf der Hand: Den Horizont der Argumentation<br />

bildet schließlich der weitgehend autonome gesellschaftliche Teilbereich<br />

der Kunst, nicht jener der Massenmedien.<br />

Gilt für den Bereich der Massenmedien, nach der Formulierung von Niklas<br />

Luhmann, dass sie e<strong>in</strong>e Realität der Beobachtung zweiter Ordnung<br />

hervorbr<strong>in</strong>gen, d.h. der Beobachtung von Beobachtungen (vgl. Luhmann<br />

1996), wird rasch deutlich, dass die Massenmedien damit der platonisch<br />

f<strong>und</strong>ierten Kritik am Abbild systematisch den Gr<strong>und</strong> entziehen: Wo der<br />

Westeuropa h<strong>in</strong>aus verbreitet haben. Zur Kritik des Begriffs ebenso wie den damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Vorstellungen von Geschichte vgl. Rüsen 1999.<br />

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