05.02.2013 Aufrufe

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

montiert wird. In den Monaten vor der Erweiterung der Union am 1. Mai<br />

2004 fungierte es als „Titelbild“ auf der E<strong>in</strong>stiegsseite der Website der<br />

Europäischen Union; seither ist es – wie auch schon davor – wieder unter<br />

der Rubrik „Symbolic Photos“ („Europe <strong>in</strong> Symbols – 1999“) auf der<br />

Internetseite der Mediathek zu f<strong>in</strong>den.<br />

Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass es sich bei diesem Foto um<br />

nichts anderes als e<strong>in</strong> Symbol handeln kann: Müßig wäre etwa die Frage,<br />

wo denn genau das abgebildete Gerüst stand oder zu welchem Anlass <strong>und</strong><br />

zu welchem Zweck es errichtet wurde. Stattdessen drängt die visuelle<br />

Semantik des Bilds gleichsam automatisch über die fotografische Referenz<br />

h<strong>in</strong>aus zur Vorstellung h<strong>in</strong>, hier werde – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Akt geme<strong>in</strong>samer<br />

Anstrengung, der die e<strong>in</strong>zelnen anonymisiert – an <strong>Europa</strong> gebaut. Die für<br />

den Aufbau benötigten Teile s<strong>in</strong>d dabei offenbar ebenso bereits vorhanden<br />

wie die Arbeiter, die das Gerüst errichten; was fehlt, ist im Gr<strong>und</strong>e nur noch<br />

die Fertigstellung des begonnenen Werks. Wir haben es bei diesem Bild<br />

mit e<strong>in</strong>em für die „Fiktion <strong>Europa</strong>“ (vgl. Steyerl 2005) zentralen Motiv zu<br />

tun, welches das schwierige Problem der F<strong>in</strong>alität des europäischen<br />

E<strong>in</strong>igungsprozesses unmittelbar zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt: Ob das „Werk“<br />

<strong>Europa</strong> jemals vollendet se<strong>in</strong> wird, lässt das Bild nämlich offen.<br />

Ke<strong>in</strong>eswegs offen bleibt h<strong>in</strong>gegen die Frage, welche Gestalt <strong>Europa</strong> im<br />

Zuge des Auf- <strong>und</strong> Ausbaus annehmen wird: Dieselbe, die durch die<br />

Europäische Fahne, die für den Bestand <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>heit der Union steht,<br />

ebenso garantiert wird wie durch das Gerüst, welches beliebige<br />

Erweiterbarkeit bei gleich bleibender Stabilität symbolisiert.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus aber gibt das Foto auch e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis darauf, dass wir es<br />

bei der europäischen E<strong>in</strong>igung mit e<strong>in</strong>em Prozess zu tun haben, dessen<br />

F<strong>in</strong>alität offenbar mit se<strong>in</strong>er Unabschließbarkeit zusammenfällt: Die e<strong>in</strong>zige<br />

Grenze sche<strong>in</strong>t der Himmel zu se<strong>in</strong>, wie der nach oben strebende Wirbel<br />

andeutet, den die Fahne formt. Wird das Gerüst, das die europäische<br />

Fahne trägt, so könnte man im Anschluss fragen, den Anlass se<strong>in</strong>er<br />

Errichtung überdauern oder wird es wieder abgebaut werden, nachdem das<br />

Ereignis, dessen weith<strong>in</strong> sichtbares Zeichen es dargestellt haben wird,<br />

vorüber ist? Dass diese Frage nicht entschieden werden kann, liegt nicht<br />

zuletzt daran, dass die Zeitstelle, der das Bild se<strong>in</strong>e Entstehung verdankt,<br />

unbestimmt bleibt: Wie auch <strong>in</strong> anderen Fällen, wo versucht wurde, die<br />

politische „Fiktion <strong>Europa</strong>“ zu visualisieren, konstruiert das symbolische<br />

Bild von der „Baustelle <strong>Europa</strong>“, nach e<strong>in</strong>er Formulierung von Hito Steyerl,<br />

„nicht nur e<strong>in</strong>e homogene <strong>und</strong> leere Zeit“, „sondern auch e<strong>in</strong>en homogenen<br />

<strong>und</strong> leeren Raum, der nur durch die Umfassung se<strong>in</strong>er Grenzen def<strong>in</strong>iert<br />

ist“ (Steyerl 2005:66). Was über den Rahmen des Bilds h<strong>in</strong>aus existiert<br />

oder existieren wird, darauf gibt das Bild weder e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis noch e<strong>in</strong>e<br />

Antwort.<br />

296

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!