05.02.2013 Aufrufe

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

für sich bedeutungslose fotografische Ähnlichkeit projiziert wird. Krakauer<br />

ist <strong>in</strong> diesem Punkt mehr als e<strong>in</strong>deutig: Nicht wegen, sondern trotz der<br />

Ähnlichkeit von Abbild <strong>und</strong> abgebildetem Gegenstand leistet die Fotografie<br />

ihre Vermittlerdienste. Verblasst auf der anderen Seite das Gedächtnisbild,<br />

ist es vorbei mit den Vermittlerdiensten der Fotografie, verdunkelt sich das<br />

Foto zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>transparenten, rätselhaften Gemenge optischer Zeichen:<br />

„Sah so die Großmutter aus? (…) Da Photographien ähnlich s<strong>in</strong>d, muss<br />

auch diese ähnlich gewesen se<strong>in</strong>. (…) Aber fehlte die mündliche Tradition,<br />

aus dem Bild ließe sich die Großmutter nicht rekonstruieren“ (Krakauer<br />

1963:21f.).<br />

Ähnlich verhält es sich mit dem Foto vom EU-Wahlkampfauftakt der ÖVP:<br />

Obwohl die darauf abgebildeten Personen noch recht gut zu erkennen s<strong>in</strong>d,<br />

hat sich e<strong>in</strong> großer Teil des lebendigen Zusammenhangs, <strong>in</strong> dem das Foto<br />

1996 erschienen se<strong>in</strong> mag, schon wieder verdunkelt (etwa: Warum verbirgt<br />

Fischler se<strong>in</strong> Gesicht?). Übrig geblieben ist die bloße Raumersche<strong>in</strong>ung<br />

der Personen, d.h. optische Zeichen, die nur noch schwach anzeigen, dass<br />

ihre Funktion e<strong>in</strong>mal dar<strong>in</strong> bestanden hatte, an die leibhaftige Wirklichkeit<br />

der Abgebildeten zu er<strong>in</strong>nern. Mit der Aktualität ist nicht nur die Funktion,<br />

sondern, so sche<strong>in</strong>t es, auch der spezifische Wert des Fotos – e<strong>in</strong>en<br />

beliebigen Moment festgehalten zu haben – dah<strong>in</strong>: Niemand würde dieses<br />

Foto heute als aktuelles ausgeben können, auf der anderen Seite wäre es<br />

aber ebenso schwierig, es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen Kontext e<strong>in</strong>zubetten, hat sich<br />

doch selbst das Besondere des beliebigen Moments – Franz Fischler, der<br />

aus der Rolle fällt – als fiktiver Sachverhalt erwiesen. Übrig bliebe mith<strong>in</strong><br />

höchstens e<strong>in</strong>e Verwendung, für die das Foto vermutlich auch aufgehoben<br />

wurde: Schließlich kommt es nicht allzu oft vor, dass dem Kommissar <strong>in</strong> der<br />

Öffentlichkeit der Kopf schwer wird. Innerhalb e<strong>in</strong>er Serie von<br />

Gleichartigem unterscheidet es sich, <strong>in</strong>dem es der endlosen Wiederholung<br />

derselben Motive <strong>und</strong> derselben Gesten e<strong>in</strong>e Variation h<strong>in</strong>zufügt: Se<strong>in</strong>e<br />

Botschaft ist die Variation e<strong>in</strong>es Bilds <strong>und</strong> nicht die Repräsentation e<strong>in</strong>es<br />

Sachverhalts. Wie Patrick Launay, Leiter der Fotografie-Abteilung des „Le<br />

Figaro“, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview bestätigte, s<strong>in</strong>d bei der Auswahl e<strong>in</strong>es Fotos für<br />

die Tageszeitung vor allem zwei Gründe Ausschlag gebend: Entweder<br />

verstärkt das Foto die Aussage des Artikels, oder es vermittelt „e<strong>in</strong>e<br />

zusätzliche Information“. In jedem Fall realisiert das Bild e<strong>in</strong>en Mehrwert:<br />

„E<strong>in</strong> sehr gutes Bild des Ganzen oder e<strong>in</strong> ungewöhnliches Bild oder e<strong>in</strong>e<br />

Geste, oder e<strong>in</strong> Blick…“ (Launay 2005).<br />

3.2.4 Images, Gesichter, <strong>Bilder</strong>politik<br />

Die Transparenz, welche dem Foto vom EU-Wahlkampfauftakt zukommt,<br />

verdankt sich, wie gesagt, nicht der Raumersche<strong>in</strong>ung der abgebildeten<br />

Personen (d.h. der fotografischen Ähnlichkeit), sondern dem Umstand,<br />

dass diese immer noch zu den führenden Repräsentanten der ÖVP zählen:<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!