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ICONCLASH. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa

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nämlich die „anthropologische Revolution“ der Fotografie e<strong>in</strong>e neue<br />

Kategorie der Erfahrung etabliert hat: „Die Fotografie bewirkt nicht mehr e<strong>in</strong><br />

Bewusstse<strong>in</strong> des Dase<strong>in</strong>s der Sache (…), sondern e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> des<br />

Dagewesense<strong>in</strong>s. Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong>e neue Kategorie der<br />

Raum-Zeitlichkeit: örtlich unmittelbar <strong>und</strong> zeitlich vorhergehend; <strong>in</strong> der<br />

Fotografie ereignet sich e<strong>in</strong>e unlogische Verquickung zwischen dem Hier<br />

<strong>und</strong> dem Früher“ (Barthes 1990b:39). Michel Foucault paraphrasierend<br />

könnte man auch sagen: Das hartnäckige Murmeln, welches das<br />

Schweigen der Fotografie auf das Feld der nennbaren D<strong>in</strong>ge treibt,<br />

artikuliert ke<strong>in</strong> „Das, was man hier sieht, ist das da“ mehr (wie <strong>in</strong> der<br />

klassischen Malerei), sondern e<strong>in</strong> „Das, was man hier sieht, ist das da<br />

gewesen“ (vgl. Foucault 1997). Was mit der Fotografie <strong>in</strong> das System<br />

abendländischer Repräsentation e<strong>in</strong>bricht, ist mith<strong>in</strong> das Bewusstse<strong>in</strong> der<br />

Zeit selbst, das Bewusstse<strong>in</strong> des unaufhaltsamen Vergehens e<strong>in</strong>er<br />

namenlosen <strong>und</strong> leeren Zeit, welche die Differenz zwischen dem Vermögen<br />

<strong>und</strong> der Unmöglichkeit, die Bedeutung fotografischer Darstellungen<br />

sprachlich zu bezeichnen, <strong>in</strong>s Unendliche vergrößert. Mit Bezug auf ihre<br />

medialen Bed<strong>in</strong>gungen muss die Fotografie damit, wie evident das von ihr<br />

Dargestellte auch immer ersche<strong>in</strong>en mag, als Bild verstanden werden, das<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wesentlichen S<strong>in</strong>n nicht lesbar ist.<br />

2.1.3 Codierungsverfahren<br />

Ke<strong>in</strong>eswegs im Widerspruch zu diesem fotografischen Paradox steht die<br />

Verwendung der Fotografie als Mittel der Kommunikation. Folgt man auch<br />

hier Barthes, ist diese sogar das direkte Resultat von jenem: Gerade weil<br />

das denotierte, d.h. buchstäbliche Bild im Fall der Fotografie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

wesentlichen S<strong>in</strong>n nicht lesbar ist (Barthes spricht <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang auch von der „Plattheit“ der Fotografie), eignet es sich <strong>in</strong><br />

besonderer Weise für die Naturalisierung all jener Bedeutungskontexte, mit<br />

denen man es <strong>in</strong> Zusammenhang br<strong>in</strong>gen will: „Das denotierte Bild<br />

naturalisiert die symbolische Botschaft, es lässt den (…) sehr<br />

differenzierten semantischen Trick der Konnotation unschuldig ersche<strong>in</strong>en“<br />

(Barthes 1990b:40). Indem aber das denotierte Bild die Botschaft<br />

„des<strong>in</strong>tellektualisiert“, verlangt es nach der Aufpfropfung von zusätzlichen<br />

Kontexten, die se<strong>in</strong>e wesentliche Leere oder Plattheit verhüllen: Wenn<br />

man, wie Barthes, der Ansicht ist, die Fotografie „wäre nicht das letzte<br />

(verbesserte) Glied der großen Familie der <strong>Bilder</strong>, sondern entspräche<br />

e<strong>in</strong>er entscheidenden Umwandlung der Informationsökonomie“ (Barthes<br />

1990b:40), dann wird man mit e<strong>in</strong>igem Recht erwarten können, dass dieser<br />

Wandel nur schrittweise <strong>und</strong> niemals auf der Stelle <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em vollen<br />

Umfang zur Kenntnis genommen werden wird, dass man, mit anderen<br />

Worten, versuchen wird, die Fotografie – so gut es eben geht – zu zähmen<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> den Rahmen des Systems abendländischer Repräsentation zu<br />

<strong>in</strong>tegrieren.<br />

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