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DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

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Wolfram Schõllkopf von seiner Familie, insbesondere seiner Mutter entgegengebracht<br />

wird. Aus dieser Setzung ergeben sich inhaltliche und sprachliche Konsequenzen:<br />

Der Text wird mit den Leitmotiven Kãlte, Eis, Hârte, Leblosigkeit, Bergmassiv<br />

versus Warme, Sonne, Vitalitát und Hõhle durchzogen. 207 So ist es in erster Linie die<br />

„Migrane- und Eismutter" (S. 25), die „Kalte Sophie" (S. 155) die die Erkrankung des<br />

Protagonisten herbeigefíihrt hat. Sie hat ihn, als er sie als Kind nõtig hatte, allein<br />

gelassen: „ Wolfram Schõllkopf ist ein gefrorenes Meer an entbehrten Gutenachtkiissen."<br />

(S. 138). Besonders ihre Priiderie und kõrperfeindliche Sexualerziehung hat dazu<br />

gefuhrt, dass sich die Vereisung auf den Sohn ubertragen hat und sich physisch als<br />

Impotenz und psychisch als Depression áuBert. So beklagt der Held seine<br />

„Lumbalvergletscherung" (S. 147) und bekommt seine eigene Psyche wâhrend der<br />

Thérapie in der Auer-Aplanalpschen Gotthardklinik als Gletscher vorgefiihrt:<br />

„Doch die Frau Primarius hat den Gletscher, unersãttlich im Requirieren neuer<br />

Therapiegewalten, angemietet, als sich die Chancen, dich als Patienten zu bekommen, an der<br />

paramedizinischen Geriichteborse verdichteten, hat die heizbare Panoramascheibe in diesen<br />

alten Operationssaal aus dem nach dem Ersten Weltkrieg ausgelassenen Fortifikationskomplex<br />

einbauen lassen, das Ganze hygienisch renoviert, auf aseptischen Hochglanz gehracht, weil sie<br />

der Meinung war, ein Monstum wie du, eine Showfreakkreuzung aus Rumpfinensch und<br />

Ischiophagen-Muttermissgeburt musse auf Anhieb mit einem erdgeschichtlich wie ráumlich<br />

mehrdimensionalen Rõntgenbild seiner Kriippelpsyche konfrontiert werden." (S.170 f.)<br />

Damit werden Erscheinungsformen der áuBeren Natur zur Veranschaulichung des<br />

Seelenlebens herangezogen. 208 Die Pubertãt wird zum Beispiel als Naturkatastrophe<br />

dargestellt: „... die Friihpubertãt eine Katastrophe, die Hochpubertãt eine Katastrophe,<br />

und dieses beginnende Wiirmzeitalter meiner Lumbalvergletscherung... „ (S. 147).<br />

SchlieBlich sieht er sich zu einem „Zentralmassiv von Depressionen" (S. 41) erstarrt. Die<br />

Heilung Schollkopfs hiefie dann „die Eiszeit deiner Existenz zum Stillstand bringen"<br />

207 GroBpietsch weist darauf hin, dass die Eiszeit-Motivik ein eingefuhrter literarischer Topos ist, „der<br />

vor allem seit Beginn der siebziger Jahre hãufig fur apokalyptische Endzeit- und Katastrophenvisionen<br />

in Bezug auf gesellschaftliche und kulturelle, also kollektive Erscheinungen verwendet wird. In Burgers<br />

Texten zielt dieser Komplex hauptsachlich auf eine private Situation, auch wenn gesellschaftskritische<br />

Komponenten einbezogen sind." GroBpietsch, 1994: 157<br />

208 In der barocken Bildersprache steht die Verbindung von Kãlte- und Steinmetaphorik fur<br />

Melancholie. Ebda.: 157<br />

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