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DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

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die daruber entscheidet, ob er ein Leben in Konventionen fíihren soil, oder ob er zu<br />

AuBerordentlichem bestimmt ist. Leuthold kommt nicht als Held zuriick, sondem ais<br />

jemand, der in Todesgefahr erfahren hat, „dafl es kein gewõhnliches Leben gibt, kein<br />

verãchtliches Leben, das einfach wegzuwerfen ware, und daJ3 wohl ailes genug ist, was<br />

wir wirklich erfiillen." I46 Frisch ubernimmt hier mit dem Motiv des Bergsteigens als<br />

lãuternder Tat einen Topos des Bergromans aus dem 19. Jahrhundert, der in den 30er<br />

Jahren des 20. Jahrhunderts neue Konjunktur gewann und der Idéologie des harten<br />

Einzelkãmpfers, der jenseits eines gesellschaftlichen Kontextes sich im Kampf mit der<br />

Natur bewâhrte, entgegenkam. 147 Frischs frûhe Werke bewegen sich damit fonnal im<br />

Rahmen der Konventionen und kommen inhaltlich in die Nãhe der Blut-und-Boden-<br />

Ideologie. In den fíinfziger Jahren befreite sich Frisch- in den vierziger Jahren noch ein<br />

Vertreter der Geistigen Landesverteidigung - von seiner konservativen Haltung und<br />

hinterfragte bíirgerliche Lebensformen.<br />

Als Frisch 1971 Wilhelm Tell fur die Schule publizierte, hatte sich der Autor<br />

lângst einen Ruf als kritischer Beobachter des Zeitgeschehens im In- und Ausland<br />

gemacht und als literarische GrõBe etabliert. Die Démontage des schweizerischen<br />

Nationalmythos kam dennoch einem „Partisanenschlag" gleich. 148 So fehlte es auch nicht<br />

an wutenden Reaktionen auf Frischs „unglùckliche und dumme Geschichte" 149 , die den<br />

Mythos des freiheitsdurstigen Helden, der sich der unrechtmâBigen habsburgischen<br />

Obrigkeit in Gestalt des Landvogts Gessler widersetzt, auf seine historische Haltbarkeit<br />

bin uberpruft und „fiir die Schule" erzâhlt. 150 Es geht also um Aufldarung und<br />

Infragestellung des vor alien Dingen durch Friedrich Schillers Drama etablierten Tell-<br />

Bildes und nicht zuletzt urn Kritik an den Schweizern.<br />

146 Frisch, qpwi/Bircher, 1997: 68<br />

147 Dank neuer Klettertechniken kamen zudem zwischen 1931 und 1938 Nordwand-Erstbesteigungen in<br />

Mcde: 1931 wurde erstmals die Nordwand des Matterhorns bezwungen, 1935 die Grandes Jorasses<br />

1938 die legendâre Eigernordwand. Bircher, 1997: 68<br />

148 Peter von Matt, 2001: 138<br />

149 apwa?Egli, 1988:65<br />

150 Auch Schriftsteller reagierten ablehnend auf die Entmythisierung, so Gertrud Leutenegger in ihrer<br />

Erzahlung Dos verlorene Monument (1979). Gonçalo Vilas-Boas nennt diesen Text „keine Erzahlung<br />

uber den Brand des Luzerner Bahnhofs am 5.2.1971, sondern [er] handelt hauptsachlich vom Schwund<br />

von Geschichten, Legenden, von Tell (als Reaktion auf die Zerstõrung des Mythos in Max Frischs<br />

Wilhelm Tell fíir die Schule (1971)), die zum Ich der Autorin gehõren, und die durch nichts ersetzt<br />

werden." Vilas-Boas, 2000: 186<br />

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