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DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

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Das Wildwesthalstuch, rot-gelb gemustert, das mir erst jetzt aufíallt, nachdem er sich<br />

ausgezogen und, ohne sich gewaschen oder die Zãhne geputzt zu haben, ins Bett gelegt hat,<br />

behalt er an, mit einem kleinen Knoten um den Hals geknõpft; zugedeckt bis unter die Achseln<br />

- er friere, das kommt davon -, halb sitzend gegen die Zimmerwand am Kopfende des Bettes<br />

gelehnt, das Kopfkissen im Riicken, die randlose Brille auf der Nase, das Buch aufgeschlagen<br />

auf dem Lesepult seiner Knie, macht er Unterstreichungen in Jean-François Auberts „Traité de<br />

droit constitutionnel": mit einem goldenen Fûllfederhalter. (S.25)<br />

Die eingeschobene Bemerkung „er friere, das kommt davon" zeigt das angespannte<br />

Verhãltnis der zwei Briider: der pleine" fragt zwar, ob es den alteren Bruder, mit dem er<br />

das Zimmer teilt, store, wenn er nackt schliefe, der altere verneint und sagt damit nicht<br />

ganz die Wahrheit. Die latente Homosexualitãt des alteren Bruders ist kein Thema<br />

zwischen den beiden, wiirde von dem jiingeren, dem es auf best mõgliche Anpassung an<br />

die Umwelt geht, nicht verstanden werden. So wunscht sich der Erzâhler „einen Bruder<br />

[...], der mir, dem ich nichts mehr beweisen muB" (S.85) und der ihn versteht.<br />

Der Ich-Erzâhler beschreibt sich in dem Text ais einen eher diflusen Charakter,<br />

der sich schnell durch seine Mitmenschen gestõrt fïïhlt, die Rolle des Beobachters und<br />

Einzelgângers sucht und wenig mit den anderen spricht. Der Text zeugt aber auch von<br />

einer intensiven und sehr genauen und kritischen Wahrnehmung seiner Umwelt. Er selbst<br />

nimmt sich als einen Menschen wahr, der seine Umwelt permanent enttãuscht, indem er<br />

nicht ihren Erwartungen entspricht, sich zwar teilweise auf sie einlãsst, aber dann immer<br />

wieder entzieht. Zeitweise lâsst er sich Identitaten und Rollen ùberstùlpen - die groBe<br />

Anzahl an Spitznamen, die ihm von seiner Familie gegeben wird, ist ein Beispiel fur seine<br />

fehlende Définition (S. 26). Auch die Verkleidungsszene, in der der „kleine" Bruder ihn<br />

als Terroristen verkleidet, noch bevor er ihn seinen Freunden vorstellt, ist Zeichen fur die<br />

Ich-Schwãche des Erzáhlers. Ebenso ist seine Kleidung Ausdruck fehlender<br />

Authentizitãt. Es sind ûberwiegend geerbte Dinge von anderen Familienangehõrigen: die<br />

schwarze Windjacke der Mutter, der warme Pullover und die zu dûnne weifie<br />

Manchesterhose Pinggers, seine Schuhe mit der defekten Sohle. Einzig die<br />

Kleidungsstùcke des Bruders passen ihm nicht, sie sind ihm zu groB. Auch darin wird das<br />

Verhãltnis des Ich-Erzãhlers zu seiner Umgebung deutlich, der Unterschied zu seinem<br />

Bruder, die Gemeinsamkeiten mit den anderen. Er tragi deren Kleidung als eine Art<br />

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