17.11.2013 Aufrufe

DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Liebesgeschichte nimmt zahlreiche Elemente des Bergromans aus den Anfangen des 20.<br />

Jahrhunderts und Stilmittel des friihen Bergfilms auf, ja erreicht mitunter ihre komische<br />

Wirkung gerade durch deren Ûbertreibung, so z.B. bei der Polarisierung der Charaktere<br />

mit den Eigenschaften naturverbunden, einheimisch, mutig, gut versus zivilisiert, feige,<br />

fremd, bõse. Auch stilistische Elemente wie vielsagender Blickaustausch anstelle von<br />

Dialogen und Aufschauen zu den Bergen in kritischen Situationen werden verwendet.<br />

Jedoch entgeht der Text durch zahlreiche ironische Brechungen dem Kitsch, z.B. indem<br />

der erzáhlende GroBvater fur den pathetischen Erzâhlstil des Bergromans unpassende<br />

Alltagsdetails erwahnt. So bekommt die Heldin vom Wirt trockene Socken oder der Held<br />

fáhrt miserabel Ski. Auch in der Wortwahl durchbricht die Erzâhlung den feierlichen<br />

Ton, der fur den Bergroman typisch ist: Ciglia „torkelte" (S.75) ins Hospiz und der bõse<br />

Hans Gruber sieht aus „wie eine Zigarettenwerbung" (S.79). Die Spannungskurve wird<br />

durch das banale Einschalten des Fernsehers unterbrochen:<br />

Wir haben gedacht, dafi es zwischen den beiden Mannern zu irgend etwas kommen wird. Ich<br />

schalte nur schnell das Fernsehen ein. Es ist die ratoromanische Sportschau. Man sieht ein<br />

Pferderennen auf dem Sankt Moritzer See. „LaB das doch!" sagt die dicke Frau. Jch will<br />

wissen, wie es ausgeht." Ich schalte ab. (S. 81)<br />

Bei aller Distanzierung im Erzãhlduktus wird der Geschichte von Ciglia und Markus<br />

doch ein Wahrheitsgehalt zugeschrieben, denn der GroBvater will das Mádchen<br />

persõnlich gekannt haben und seine Frau hat an derselben Stelle wie Ciglia ein<br />

Muttermal. Ciglia lebt also doch! In Widmers Schweizer Geschichten wird zwar das Bild<br />

des „Schweizeralpenlandes" demontiert und die Realitát der tourismusabhãngigen, vom<br />

Schmuggel lebenden und fur reiche Auslânder arbeitenden Bergbevõlkerung gezeigt.<br />

Aber mit einem Augenzwinkern 16j lasst Widmer seinen eigenen schweizerischen Mythos<br />

162 Utz, 1998: 99<br />

Gerade diese Unentschiedenheit zwischen Ernst und Unernst in Widmers Schweizer Geschichten hat<br />

Kritik hervorgerufen, so bei Ernst Nef, 1975: 37: „Alle diese Geschichten wirken mehr oder weniger<br />

komisch; aber im Grunde sind sie ernst. Widmer zeigt eine gewisse Scheu, seine Einbildungskraft<br />

anders als unernst zu gebrauchen. Durch diesen Unernst werden seine Phantasien gleichsam nie die<br />

Gewichte jener Wirklichkeit los, von der sie sich doch eben befreien. Das ruhrt dann sehr oft zu nichts<br />

weiter als zur humorvollen Spielerei." Meines Erachtens unterschãtzt der Kritiker damit den Leser, der<br />

sehr wohl an beiden Elementen in diesen schillernden Geschichten teilhaben kann: der ernstgemeinten<br />

Kritik an den Zustanden in der Schweiz und den skurrilen Fantasien, die dazu entwickelt werden.<br />

68

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!