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DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

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iibermorgen bin ich zum Nachtessen bei meiner GroBmutter eingeladen: Ich habe eine Menge<br />

schmutziger Wasche zu waschen. (S. 182)<br />

Dièse Aussage des Ich-Erzâhlers macht deutlich, dass die sinnliche Wahmehmung des<br />

Schauplatzes wâhrend des Spazierengehens allmãhlich den Bericht ùber die<br />

Typhusepidemie immer weiter in den Hintergrund treten lãsst. Das Kõrpergedáchtnis<br />

macht aus dem linearen Denken ein assoziatives, das die private Geschichte<br />

bedrángender ais die õffentliche erscheinen lãsst. Nach der Rúckkehr aus dem<br />

Gedâchtnisort in Zermatt muss bei der GroBmutter „schmutzige Wãsche" gewaschen<br />

werden. Das kann auch metaphorisch verstanden werden ais die lângst anstehende<br />

Auseinandersetzung mit der GroBmutter iiber die Familiengeschichte. Die immer kiirzer<br />

werdenden Prãsenspartien, in denen der Ich-Erzãhler uber seinen Aufenthalt in Zermatt<br />

berichtet, alternieren mit den langer werdenden im Práteritum erzâhlten Passagen des<br />

Romans, in denen die Erinnerungen wiedergegeben werden. Dadurch entsteht eine<br />

komplexe Geschichte von groBer Authentizitát.<br />

Ich hãtte die Einladung meines Bruders nicht annehmen sollen. Ich hãtte mich, aus der Distanz<br />

zum Schauplatz, auf die recherchierten Fakten verlassen, auf das Interview in der<br />

Rotkreuzzeitung, und vielleicht hãtte ich sogar vergessen, daB ich die Lebensgewohnheiten<br />

meiner GroBmutter hier in Zermatt aus zwanzigjãhriger Erfahrung genau kenne; so hãtte ich<br />

meine Hauptfigur - vielleicht - verândern kõnnen, bis ein glaubwûrdiger SchluB, in Angst oder<br />

Krankheit, mõglich geworden ware. (S. 58)<br />

Genauso wie im õffentlichen Bereich versucht wird, die Epidémie im Dorf so lange wie<br />

mõglich zu vertuschen, um die Touristen nicht zu vertreiben, werden in dieser Famine die<br />

tragischen Ereignisse hingenommen, ohne die Haltung zu verlieren, um den Ablauf des<br />

bùrgerlichen Alltags zu garantieren. Als dessen unerschutterliche Protagonistin fungiert<br />

die GroBmutter in der Famine: sie organisiert 20 Jahre lang die gemeinsamen<br />

Familienurlaube in Zermatt. Ihr Enkel fuhlt sich gleichermaBen angezogen wie in Frage<br />

gestellt durch ihre Sicherheit. Letztlich gelten seine Recherchen auch der Tragfáhigkeit<br />

des bùrgerlichen Konzepts, das seine GroBmutter reprásentiert, und damit auch der<br />

eigenen Standortbestimmung.<br />

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